Ehrenwort
Kreuzworträtsel mit, denn es wird mir allmählich langweilig.«
Zum Mittagessen war er wieder wach, aß mit Appetit und betrachtete sich dabei das Rätselheft.
»Diese kleingedruckten Fragen kann ich kaum lesen«, sagte er. »Wo ist eigentlich meine Brille?«
»Wahrscheinlich liegt sie noch in Dossenheim. Wenn es wichtig ist, fahre ich hin und hole sie dir.«
»Und ob es wichtig ist! Aber wenn du schon mal dort bist, dann kannst du auch gleich Geld aus dem Tresor herausnehmen, am besten alles. Ich möchte es gern hier in Sicherheit wissen.«
»Und wo ist der Schlüssel?«, fragte Max scheinheilig. Sein Großvater meinte, der hinge unter der Puddingform.
»Wie viel Kohle hast du denn gebunkert?«, fragte Max.
»Weiß nicht mehr genau, etwa 1000 Euro. Und wenn du sowieso hinfährst, dann könntest du mir auch den Fernseher herschaffen. - Und mein Briefkasten wird überquellen!«
»Noch was?«
»Meine Zigarren!«
Immerhin brauchte man jetzt nicht die gesamte Barschaft wieder herauszurücken, dachte Max erleichtert. Trotzdem war er enttäuscht, als er sich ins Auto setzte. Vielleicht fand er in Opas Haus etwas anderes, das sich verscherbeln ließ. Es war unwahrscheinlich, dass der Alte sein früheres Heim jemals wieder betreten würde. Da hing zum Beispiel ein Ölgemälde über dem Sofa, das seine Großmutter sehr geschätzt hatte, vielleicht war es ja eine Art Rembrandt. Diesen Gedanken verwarf er schnell, denn sein Vater würde das Bild sofort vermissen, kleinere Gegenstände waren unauffälliger.
Als Petra müde nach Hause kam, hörte sie einen ohrenbetäubenden Lärm aus dem oberen Stockwerk. Noch im Mantel lief sie hoch und riss die Tür zum Krankenzimmer auf. Dort saß der Alte steil aufgerichtet im Bett, die Fernbedienung wie einen Colt in der ausgestreckten Hand. Auf Mizzis kleinem Schreibtisch stand ein Fernsehapparat, der auf höchste Lautstärke eingestellt war.
Willy Knobel bemerkte seine Schwiegertochter gar nicht.
»Diese Politiker! Nachhaltig, nachhaltig, nachhaltig - was für ein blöder Ausdruck«, schimpfte er und zappte auf einen anderen Kanal.
Petra schaltete zornig den Fernseher aus und stampfte mit dem Fuß auf.
»So kann man ja Tote zum Leben erwecken! Wie kommt dieses Monstrum hierher?«
Im Bad fand Petra einen Haufen Schmutzwäsche, darunter ihr nagelneues und allerschönstes Badelaken von Kenzo, das sie noch nie benutzt hatte. Daneben lag ein Zettel: Herr Knobel braucht drei dicke Fleece-Anzüge für die geplante Mobilisierung, im Pyjama ist er nicht warm genug verpackt. Gruß, Schwester Kriemhild.
»We are not amused«, brummte Petra. Eine schreckliche Vorstellung, dass der mobilisierte Alte in Kürze im ganzen Haus herumgeistern würde.
So haben wir nicht gewettet, dachte sie, Harald hat völlig recht, man muss ihn in einem Heim unterbringen, selbst wenn es tausend Kilometer von hier entfernt sein sollte.
Endlich kam Petra dazu, ihre Hausschuhe anzuziehen und in die Küche zu gehen. Sieh mal einer an, heute Mittag hatte Max gekocht - warum tat er das eigentlich nie für seine erschöpften Eltern? Und wieso räumte er das gebrauchte Geschirr nicht in die Spülmaschine? Warum war es immer nur ihre Pflicht, jeden Abend ein warmes Essen auf den Tisch zu bringen? Sie schob den Edelstahltopf wieder in den Schrank, ging ins Wohnzimmer, legte sich aufs Sofa und stellte die Nachrichten an.
Nach einer Weile hörte sie leise Schritte im Flur. Sie fuhr hoch und sah im Geist bereits ihren Schwiegervater herumschlurfen und stürzen. Als sie die Tür aufriss, stand dort stattdessen ihr Sohn dicht neben Jenny, beide machten einen ertappten Eindruck. Das fehlte ja gerade noch, dass Max anfing zu turteln und diese Frau von der Arbeit abhielt.
Überhaupt - das Liebesleben ihrer Kinder verlief völlig anders als erwartet. Mizzi hatte sich schon früh als Lesbe geoutet, was ihr Vater nach wie vor für eine Kinderkrankheit hielt. Und Max hatte nie eine feste Freundin gehabt. Vielleicht war es ja das, was ihm fehlte, um endlich erwachsen zu werden. Oder ob auch er...? Sie wagte kaum daran zu denken, dass Max ebenfalls Interesse für das eigene Geschlecht zeigen könnte. Insofern war ein Flirt mit einer Pflegerin kein schlechtes Zeichen.
Petra hatte mit untrüglichem Mutterinstinkt erkannt, dass es zwischen Jenny und Max gefunkt hatte. Sie wollten heute ins Kino gehen. Jenny konnte allerdings nur die Spätvorstellung besuchen und nach dem letzten Krankenbesuch musste sie erst noch den
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