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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Firmenwagen zurückbringen. Max sollte sie abholen, denn ein eigenes Auto besaß sie nicht; er war ziemlich aufgeregt, weil er aus ihrer bereitwilligen Zusage schloss, dass sie momentan keinen festen Freund hatte.
    Als Harald um acht Uhr abends das Gartentürchen öffnete, hopste ihm Jenny entgegen, die gerade mit ihrer Arbeit fertig war. Sie lächelte wieder so sonnig und unschuldig, dass er fast weiche Knie bekam.
    »Kein leichter Beruf, den Sie sich ausgesucht haben«, sagte er freundlich. »Ich wäre kaum dazu fähig!«
    »Aber Ihr Sohn«, sagte sie. »Er ist der geborene Altenpfleger!«
    »Meinen Sie?«, fragte Harald verständnislos. Sie zuckte mit den Schultern, winkte kurz und wünschte: »Schönes Wochenende!«
    Er sah ihr nach, wie sie vor dem Auto des Pflegediensts stehen blieb und eine Zigarettenpackung aus der Jackentasche fummelte.
    Harald schüttelte verunsichert den Kopf, trat ins Esszimmer und sah auf den ersten Blick, dass der Tisch nicht gedeckt war. Nebenan lag seine Frau schlafend auf dem Sofa, der Fernseher lief. Ihre rotgefärbten Haare kontrastierten für seinen Geschmack allzu heftig mit den hellgrünen Seidenkissen, ihre Gesichtszüge waren angespannt, und man sah ihr durchaus an, dass der fünfzigste Geburtstag schon einige Jahre hinter ihr lag. Harald schaltete den Fernseher aus, und schon wurde sie wach.
    »Dein Sohn interessiert sich anscheinend für diese Jenny«, sagte sie zur Begrüßung.
    »Ich auch«, sagte Harald spaßeshalber und merkte sofort, dass er voll ins Fettnäpfchen getreten war. Das Gesicht seiner Frau verzog sich zu einer einzigen Leidensmiene.
    Um zu retten, was zu retten war, strich er ihr über die Mähne. Sie schüttelte seine Hand ab, stand auf und ging in die Küche.
    »Max soll endlich den Mülleimer raustragen«, rief sie und setzte Nudelwasser auf. In diesem Augenblick ging der dröhnende Krach im oberen Stockwerk erneut los - der Alte war wieder auf Sendung.
    »Lass nur, ich geh' schon«, rief Harald, nahm die Cognacflasche und einen Schwenker aus dem Schrank und stieg nach oben. Wortlos zog er den Stecker heraus. Sein Vater drehte sich verwundert um.
    »Du brauchst Kopfhörer«, sagte Harald, »sonst werden wir alle taub! - Aber bevor du dich aufregst, trink erst einmal einen Schluck.«
    Er schenkte ein und hielt seinem Vater ein volles Glas hin.
    »Eigentlich sagt man erst mal >Guten Abend<«, belehrte ihn der Alte, setzte aber sofort zum Trinken an. »Ganz hervorragend! Das habe ich lange vermisst. Den kannst du mir jeden Tag anbieten.«
    »Kriegst du«, versprach Harald und wunderte sich, wie einfach manche Probleme zu lösen waren.
    Der Alte hielt das fast leere Glas andächtig gegen das Licht: »Ein goldener Becher wie im König von Thule!« Und er zitierte:

    Es ging ihm nichts darüber,
    Er leert ihn jeden Schmaus;
    Die Augen gingen ihm über,
    So oft er trank daraus.

    Als Petra wenig später zum Essen rief, war Max sofort zur Stelle.
    »Der Müll muss raus«, begrüßte sie ihn. »Wie oft soll ich es denn noch sagen! Ich sehe überhaupt nicht ein, dass du weder studierst noch ein Minimum an Hausarbeit übernimmst! Es fällt dir auch kein Zacken aus der Krone, wenn du die schmutzige Wäsche deines Großvaters aus dem Badezimmer bringst.«
    »Hätte ich noch getan, aber du kommst mir ja immer zuvor«, sagte Max und schaufelte Nudeln auf seinen Teller.
    »Hätte, hätte, hätte! Das kennen wir. Für morgen mache ich eine Liste, was alles erledigt werden muss - wenn du schon für deinen Großvater einkaufst, dann kannst du es auch für uns alle tun.«
    Max versprach es, im Augenblick konnte ihm niemand die Laune verderben. Er freute sich auf den Kinoabend mit Jenny.

7

    Am folgenden Abend schlief der Alte schon, und es bot sich keine Gelegenheit für einen Schlummertrunk. Sonntagabend aber nahm er die Kopfhörer ab, die ihm Max aus dem eigenen Fundus zur Verfügung gestellt hatte, und sah seinen Sohn etwas kläglich an.
    »Sic transit gloria mundi«, sagte er. »So vergeht die Herrlichkeit der Welt! Heute ist mir ein bisschen elend zumute.«
    »Ein Gläschen Cognac, und die Welt sieht wieder besser aus«, meinte Harald und schwenkte das bereits gefüllte Glas.
    »Stell es auf den Nachttisch«, sagte Willy Knobel. »Ich warte noch, bis die Nachrichten zu Ende sind.«
    Und damit setzte er die Kopfhörer wieder auf und nahm keine Notiz mehr von seinem Besucher. Harald verließ den Raum, obwohl es ihm lieber gewesen wäre, wenn sein Vater den

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