Ehrenwort
zu sehen«, sagte Max. »Früher oder später wird Mama den Braten sowieso riechen, und dann kriegen wir beide unser Fett ab.«
Als ein Stück Asche herunterfiel, scharrte es der Alte mit dem Fuß in den Teppich hinein.
»Asche konserviert«, bemerkte er.
Tatsächlich kam es noch schlimmer. Petra, die ihres Mannes wegen früher heimkam, ertappte gleich drei qualmende Sünder - den Alten, Jenny und ihren Sohn, der diesem Laster doch längst abgeschworen hatte. Sie war fassungslos. Wieso war die Pflegerin schon hier? Was hatte ihren Sohn dazu bewogen, einem Schwerkranken Zigarren zu beschaffen? Als Erstes fuhr sie Jenny an.
»Ich werde es Ihrer Chefin sagen, dass Sie während der Arbeit geraucht haben!«
»Im Augenblick bin ich gar nicht im Dienst«, widersprach Jenny. »Meine Kollegin braucht die Patientenmappe, die hier liegengeblieben ist. Ich bin viel später wieder an der Reihe, erst für Herrn Knobels Nachttoilette!«
Schon rutschte sie von der Kante des Pflegebetts, auf dem sie dicht neben Max Platz genommen hatte, stand auf und verschwand. Der Alte thronte auf dem unappetitlichen rosa Sessel, den Petra nur allzu gut kannte. Ihr fehlten die Worte und sie stürzte aus dem Raum, um ihren Mann zur Verstärkung zu holen.
Harald lag in einem weinerlichen Zustand im Bett, und schon quälten Petra wieder Gewissensbisse. Am liebsten hätte sie auch geheult.
»Was ist denn?«, fragte sie und wurde plötzlich sanfter.
Harald schluchzte wie ein Kind.
»Ich bin ein schlechter Mensch«, stieß er hervor.
Hörte sie richtig? Also ging es gar nicht um ihre Affäre. Petra verstand überhaupt nichts mehr und wurde wieder zornig: »Dein Sohn und dieses blonde Gift kiffen wie die Weltmeister, dein Vater raucht gerade eine Zigarre, und du liegst nebenan und hast von nichts eine Ahnung!«
Ihr Mann wischte sich die Tränen aus den Augen: »Lass ihn doch, umso schneller wird er abkratzen!«
Dieses Argument leuchtete Petra irgendwie ein, sie wurde ruhiger und strich erleichtert die Bettdecke glatt. Aber dann kamen ihr wieder neue Bedenken.
»Und wenn er das ganze Haus abfackelt?«
»Max passt schon auf. Aber letzten Endes war es euer Wunsch, dass mein Vater hier einzieht. Ich war von Anfang an dagegen.«
»Inzwischen gebe ich dir ja recht, es ist alles anders gelaufen, als ich mir gedacht habe. Zu allem Überfluss hat unser toller Sohn etwas mit dieser Jenny angefangen...«
Harald horchte auf. »Wie kommst du darauf?«, fragte er ungläubig.
Petra erzählte, wie sie spätabends eine weibliche Stimme im Zimmer ihres Sohnes gehört hatte. Mittlerweile sei sie sich fast sicher, dass es Jennys Organ gewesen war. Es sei zwar erfreulich, wenn der Herr Sohn endlich Frühlingsgefühle hege, aber eine nette Studentin wäre ihr eigentlich lieber. »Es spricht doch sehr gegen eine Pflegerin, wenn sie sich nachts in ein Haus schleicht, in dem sie tagsüber einen Patienten pflegt.«
Harald fand das nicht so schlimm und deutete an, dass ihm Jenny besser gefiele als alle Freundinnen, die Mizzi jemals mitgebracht hatte.
Petra war sauer. Die vielen fremden Frauen im Haus waren ihr ein Greuel. Auch hatte sie den Verdacht, dass ihre teure Hautcreme schneller als sonst zu Ende ging. Ob man sie dem Alten auf den Rücken schmierte?
Niemand anderes als ihr Schwiegervater war daran schuld, dass ihr Mann jetzt depressiv war. Der schmauchende Alte musste schleunigst aus dem Haus, doch was tun gegen die drohende Enterbung? Sie würde ihren Mann in ein noch tieferes Loch stürzen. Apropos stürzen - war ein Sturz nicht womöglich eine gute Idee? Beim Drehen eines Westerns wurden doch Stolperdrähte gespannt, damit die Pferde an der richtigen Stelle zu Fall kamen. Für einen alten Mann, der bereits ein lädiertes Bein hatte, täte es vielleicht schon ein Faden. Mittlerweile tappte er täglich durch die Gegend, war schon einmal gestrauchelt und auf dem Boden gelandet. Dass er bis in die intime Sphäre ihres Schlafzimmers vorgedrungen war, wo er nun wirklich nichts zu suchen hatte, fand sie schockierend.
Es war allerdings ein Problem, wann und wo sie das Fädchen spannen sollte, ohne dass Max es bemerkte. Ihr Junge, der sich bisher vor allen häuslichen Pflichten gedrückt hatte, nahm nun seine Aufgabe überaus genau, wenn auch nicht im Sinne seiner Eltern. Er half seinem Großvater leider nicht beim Sterben, sondern ließ ihn von Tag zu Tag lebendiger werden. Weiß der Teufel, wo das noch hinführen sollte. Der Alte würde womöglich noch
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