Ehrenwort
geregelt werden müssen. Zum Beispiel sollte meine Zeitung abbestellt werden!«
»Hab' ich schon getan, Opa.«
»Bravo. Und für die Post muss man einen Nachsendeantrag stellen.«
»Geht in Ordnung. Was noch?«
»Ich möchte ein kleines Radio haben, meines ist zu groß für diesen Nachttisch.«
»Kann ich auch besorgen. Sonst noch was?«
»Allerdings, denn das war nur der Anfang - es ist mir nämlich irgendwie peinlich. Also endlich zur Sache, in medias res! Ich habe längst begriffen, dass du meinetwegen dein Studium vernachlässigst. Ein solches Opfer kann ich nicht annehmen.«
Da gestand ihm Max, dass er das Studium so oder so aufgeben wolle, weil ihn die Fächer Anglistik und Kunstgeschichte zu Tode langweilten. Den begehrten Studienplatz für Medizin könne er sich aber wahrscheinlich abschminken.
»Es ist immer mein Wunsch gewesen«, sagte der Alte, »einen vernünftigen Arzt in der Familie zu haben. Ich kenne eigentlich nur Quacksalber! Die Axt im Haus erspart den Zimmermann, du würdest mich vor den Scharlatanen retten. Könnte man die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen eventuell bestechen? Ich würde dir gern die Mittel dafür zur Verfügung stellen.«
»Opa, du kommst ja auf kriminelle Ideen!«
»Soll ich mein Geld mit in die Grube nehmen? Wenn es mir und dir gutgehen soll, müssen wir etwas dafür tun - de nihilo nihil, von nichts kommt nichts. Auf jeden Fall werde ich dir jetzt einen Barscheck ausstellen, damit du eine größere Summe abheben kannst. Und dann machst du dich am Sonntag mal richtig fein, ziehst eine Krawatte an und führst die Jenny zum Tanztee aus.« Jetzt musste Max lachen.
»Am liebsten mochte Ilse langsamen Walzer. Ich tanze mit dir in den Himmel hinein ...«, krächzte der Alte.
Es war wie im Kino, wo junge Damen noch bodenlange Ballkleider trugen.
»Opa, ich habe auch eine Bitte: Die Pflegerinnen sagen, dass du viel trinken sollst. Ich stelle dir jetzt täglich eine Flasche Wasser ans Bett, die du leer trinken musst.«
»In vino Veritas, in aqua cholera«, sagte der Alte. »Ein Gläschen Wein zum Essen wäre mir lieber.«
Max schaute auf die fleckigen Hände mit den knotigen Fingergelenken seines Großvaters und stellte sich vor, wie er früher einmal seine Ilse gepackt und herumgeschwenkt hatte. In diesem Moment setzte sich der Großvater allerdings umständlich die große Hornbrille auf, zog einen Kugelschreiber aus der Nachttischschublade und ließ sich die Formulare der Bank reichen. Mit zittriger Hand setzte er korrekt, aber krakelig den Namen seines Enkels und den Ort ein. Nur das Datum musste er erfragen.
Max studierte den Scheck aufmerksam. Der Alte hatte 3000 Euro eingetragen, aber man konnte ohne weiteres noch eine Zahl voranstellen, etwa eine Neun. Ob die gesamte Summe für Max gedacht war, oder ob der Großvater wie gewohnt einen Vorrat anlegen wollte? Von den damals überbrachten Scheinen hatte der Alte je einen Fünfziger an Elena und Jenny verschenkt.
»Und was willst du mit deinem Haus machen?«, fragte Max, denn das war wohl das größere Problem.
»Vielleicht vermieten?«
»Alles steht voll mit deinen Sachen!«
»Dann eben möbliert vermieten. Ach Junge, ich habe die Hoffnung noch nicht ganz begraben, dass ich eines Tages wieder dort leben kann. Deine Eltern sind nicht direkt glücklich mit der jetzigen Lösung. Sieh mal, mir geht es ja täglich besser. Oder hältst du es für vermessen, wenn ich noch solche Träume habe?«
Was sollte Max dazu sagen? Er lächelte nur.
Der Alte war im Laufe des Gesprächs mehr und mehr in Erregung geraten, atmete schwer und wollte wieder ins Bett, um sich auszuruhen. Kopfhörer und Fernseher rührte er nicht an.
»Ich habe seit sechzig Jahren nicht mehr getanzt«, murmelte er und schlief bald ein.
Max ging in den Keller, wo sich sein Vater eine professionelle Werkstatt eingerichtet hatte. Dort stand ein kleines Radio, das kaum benutzt wurde. Harald hatte selten Zeit zum Basteln. Der Raum war für Max mit trüben Erinnerungen verbunden. Als Kind hatte er sich noch gern hier herumgetrieben und auch die ersten handwerklichen Experimente gewagt. Aber es gab regelmäßig Krach, weil er Sägespäne nicht aufkehrte, die Werkzeuge nicht ordentlich wegräumte, Nägel in das Treppengeländer trieb oder Stühle mit meterlangen Klebebändern umwickelte. Mizzi konnte sich dagegen alles erlauben, sie war zwar ebenso chaotisch, aber viel raffinierter, geschickter und älter als er.
Einmal hatte er mit seiner
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