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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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war der Koffer randvoll mit Sachen, die sie nicht mehr mochte. Der uralte Badeanzug Größe 38 war längst zu eng, dabei besaß sie einen neuen, besonders schicken. Das Abendkleid aus den Neunzigerjahren hatte sie eigentlich nur aufgehoben, weil sich Mizzi aus dem Brokatstoff ein Sofakissen nähen wollte. Nun, sie würde eine festliche Robe sowieso nicht brauchen, denn es ging hier eher sportlich als fürstlich zu. Harald hatte zwar an Unterwäsche gedacht, aber ihr Nachthemd vergessen, was Petra zu dem Entschluss brachte, den kommenden Samstag für einen ausgiebigen Einkaufsbummel zu nutzen.
    Ihr Mann hatte dagegen von seiner Frau etwas mehr Dankbarkeit oder gar Begeisterung erwartet. Schließlich saßen sie lustlos nebeneinander auf dem riesigen Hotelbett und studierten die Wellness-Angebote.
    »Ich wusste gar nicht, dass du auf so was stehst«, sagte Petra, und Harald zuckte hilflos mit den Schultern. Das war wohl ein Griff ins Klo, dachte er, hielt aber lieber den Mund.
    Doch beim Essen waren sie sich endlich einig. Sie kannten sich lange genug, um zu wissen, was sie bestellen wollten: Es war Mai, da musste es Spargel sein.

    Max hatte sich ebenfalls größte Mühe gegeben, um Jenny mit einem exquisiten Diner zu verwöhnen. Erstaunlicherweise war ihm das Essen nahezu perfekt gelungen, er probierte wieder und wieder und gab jedes Mal ein begeistertes »Mjam! mjam!« von sich. Schließlich stellte er Kerzen auf den Esstisch und suchte sogar die roten Weihnachtsservietten aus Damast heraus.
    Jenny aß den Salat mit gutem Appetit. Als ihr Max beim Hauptgang aber die gelbe Sauce über den Reis geben wollte, bremste sie seine Hand so abrupt ab, dass es auf die Tischdecke tropfte.
    »Curry? Chili? Wieder so was Scharfes wie in Berlin?«
    Sie kannte weder Safran noch Jakobsmuscheln und ekelte sich vor beidem. Also schlug sich Max den Bauch voll, während Jenny nur einen Löffel Reis mit zwei Tropfen Ketchup zu sich nahm. Es war ein Jammer.
    »Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht«, sagte sie tröstend. »Ich hatte fest mit Spargel gerechnet.«
    Max wusste nicht genau, ob sie damit der Leidenschaft nachhelfen wollte. Er jedenfalls war so vollgefressen, dass er nur noch einen Wunsch hatte: sich hinlegen und schlafen. Jenny sorgte zwar dafür, dass daraus nichts wurde, aber das Ergebnis war kein Ruhmesblatt für den müden Max.
    Die Eltern wiederum hatten von einem badischen Spitzenwein nicht genug bekommen können, so dass ihre Nacht sich überhaupt nicht durch Leidenschaft auszeichnete: Harald schnarchte, und Petra redete im Traum. Mehrmals fühlte sie sich durch das sägende Geräusch so gestört, dass sie ihn heftig anstieß, das nächste Mal wiederum wurde er durch das unaufhörliche Gebrabbel seiner Frau geweckt. Offenbar hatte sie einen sehr intensiven Traum, und Harald begann, sich für die Bedeutung ihrer Worte zu interessieren. Immer wieder verstand er den Namen Jupiter.

    Der Samstag begann für Max voll schöner Hoffnungen. Er hatte schon am frühen Morgen frische Brötchen fürs Frühstück sowie Spargel, Schinken und neue Kartoffeln fürs Abendessen besorgt. Erst danach brachte er seinem Großvater das Tablett mit Kaffee und der üblichen Marmeladenschnitte. Der Alte war guter Laune, hatte gesunden Appetit und fragte, ob Harald und Petra sich bereits gemeldet hätten.
    »Damit ist eigentlich nicht zu rechnen, Opa«, sagte Max. »Bis Baden-Baden ist es schließlich keine Weltreise. Sonntagabend sind sie ja leider wieder hier.«
    »Ich dachte fast, sie wären schon zurück«, sagte der Alte. »Mir war so, als hätte ich eine Frauenstimme gehört.«
    Dann hat er eigentlich noch Ohren wie ein Luchs, dachte Max, denn Jenny war nicht sonderlich laut gewesen.
    »Die Stimme kam wahrscheinlich aus dem Radio oder dem Fernseher«, sagte Max.
    »Apropos Fernsehen«, meinte der Alte, »kannst du mal nachsehen, in welchem Programm die Sendung Schwule Fische Teil zwei kommt?«
    Max schaute nach und konnte absolut nichts Vergleichbares finden. Aber am Ende entdeckte er doch noch: Schule der Fische an der Küste von New Jersey.

    Als Jenny wach wurde, auf die Toilette musste und leicht bekleidet über den Flur huschte, lief sie Elena direkt in die Arme, die das Bad aufgeräumt hatte. Beide waren peinlich berührt, aber die Italienerin war nett genug, keine frechen Bemerkungen zu machen. Max erwartete Jenny mit einem gedeckten Tisch, frischgepresstem Orangensaft und Rühreiern. Doch seine Geliebte hatte es plötzlich

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