Ehrenwort
hergekommen sein«, überlegte sie. »Wahrscheinlich steht sein Auto irgendwo in der Nähe.«
Mit flinken Fingern durchsuchte sie die Taschen des Toten und fand auf Anhieb Wagenpapiere, Schlüsselbund, Führerschein und Geld. Bis auf die Schlüssel steckte sie alles wieder zurück.
Max befand sich durch den unterbrochenen Schlaf, den ungewohnt starken Kaffee und vor allem durch den Schock in einem seltsamen Schwebezustand. Ein Film, dachte er, gleich werde ich wach, alles war ein Traum. Doch Jenny trieb ihn zur Eile. Max machte sich also leicht schwankend auf die Suche nach einem Wagen mit dem Kennzeichen HD - PB 666 und parkte ihn rückwärts vor die Garageneinfahrt. Er war etwas enttäuscht, dass ein Gangster keinen großen Citroen, sondern einen simplen Polo fuhr.
Jenny hatte sich inzwischen gefangen und kam jetzt ganz ohne Flennen, Zähneklappern und Lamento aus. Als hätte sie täglich Leichen zu entsorgen, zog sie sich einen Pullover von Max gegen die Kälte über, suchte dann in der Küche nach großen blauen Müllsäcken und im Haushaltskeller nach einer Wäscheleine. Als Max nach knapp zehn Minuten mit dem Polo anrückte, hatte sie bereits einen Sack über den Kopf des Toten gezogen und festgebunden, nun mühte sie sich mit dem zweiten ab.
18
Bevor sie starteten, stritten sich Jenny und Max wie kleine Kinder, wer den Leichenwagen fahren sollte. Sie wollten mit zwei Autos aufbrechen. Der Tote sollte hinter der kleinen Hütte des Schrebergartens versteckt oder sogar vergraben werden, den leeren Gangster-Polo wollten sie irgendwo abstellen - mochte sich die Polizei später einen Reim darauf machen, wie das alles zusammenhing.
Schließlich knobelten sie: Schere, Stein, Papier. Obwohl Max große Zuneigung für Jenny empfand, war es ihm doch lieber, dass er mit seinem eigenen Wagen vorausfahren durfte und sie den schwarzen Peter beziehungsweise den toten Pit hatte.
Die Verladung war relativ einfach gewesen, Max hatte gemeinsam mit Jenny die verpackte Leiche angehoben und in gekrümmter Haltung zwischen leere Bierdosen und anderen Müll in den Kofferraum gestopft. Dann setzte er sich kurz neben sie ans Steuer, um ihr die Bedienung des VW zu erklären, aber Jenny war schon mit den unterschiedlichsten Dienstwagen unterwegs gewesen und tippte sich bloß mit dem Finger an die Stirn. Ganz sachte ließ sie den Polo aus der Einfahrt rollen, Max schloss das Garagentor ab, stieg in den eigenen Wagen und fuhr vor ihr her. Nicht zu schnell und nicht zu langsam, darauf hatten sie sich geeinigt. Als Devise galt, unter keinen Umständen aufzufallen, denn die Gesetzeshüter hielten an den Wochenenden häufig nach den Schlangenlinien jugendlicher Diskogänger Ausschau.
Auf der A5, kurz vor Heidelberg, gerieten sie trotz der nachtschlafenden Zeit in einen Stau. Nach wenigen, aber endlosen Kilometern sah man in der Ferne blaues Blinklicht. Es war unmöglich, jetzt noch abzubiegen, sie saßen in der Falle. Bestenfalls hatte es einen Unfall gegeben, und der Verkehr wurde bloß auf eine andere Spur umgeleitet; falls man aber Wagen für Wagen in die Zange nahm, hatten sie schlechte Karten. Die Papiere für den Polo steckten in Pit Bulls Jackentasche. Außerdem war sein Auto - als das eines berüchtigten Schlägers - sicherlich bei der Polizei bekannt.
Hätten wir für den Leichentransport bloß Jennys Wagen mit dem gut sichtbaren Aufdruck des Pflegedienstes genommen, dachte Max. Jenny mit ihrem Beruf als Samariterin wäre über jeden Verdacht erhaben.
Nach zehn bangen Minuten wurde Max mit einer Kelle auf den Standstreifen dirigiert und der Polo einfach durchgewinkt.
»Haben Sie getrunken?«, wurde er gefragt.
»Kaffee«, sagte Max und wurde leichenblass, was man aber zum Glück nicht sehen konnte. Einige Gläser von Vaters Weißwein waren es außerdem gewesen, aber das war bereits viele Stunden her.
Er kramte seine Papiere heraus und durfte, nachdem der Polizist die Daten überprüft hatte, weiterfahren. Wo aber war Jenny geblieben?
Schon wieder hatte er einen Fehler gemacht und in der Aufregung kein Handy eingesteckt. Ob Jenny ihres bei sich hatte, wusste er nicht. Er steuerte den nächsten Rastplatz an, und da stand sie bereits vor dem geparkten Polo und rauchte. Absolut cool, dachte Max bewundernd. Er ließ sich seine grenzenlose Erleichterung nicht anmerken, stellte sich mindestens ebenso kaltblütig, schlenderte wie zufällig an ihre Seite und fragte lässig: »Hast du für mich noch eine übrig?«
Doch bevor er
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