Ehrenwort
jeden Fall will ich ihr aber eine Freude machen. Wozu raten Sie?«
»Was für Hobbys hat Ihre Frau denn?«
»Sie ist eigentlich eine Leseratte, aber seit sie ihren eigenen Buchladen besitzt, klagt sie unentwegt über Zeitmangel. Sie kommt kaum dazu, die wichtigsten Neuerscheinungen anzulesen. In ihrer Mittagspause schläft sie meistens vor Erschöpfung ein.«
»Hm, Bücher hat sie also genug, da muss man was anderes finden.«
»Das bringt mich auf eine Idee! Ein Freund von mir hat eine kleine Hütte am See, wo man wunderbar angeln kann. Dort könnte sie ein ganzes Wochenende in aller Ruhe schmökern.«
»Und Ihren gesamten Fischfang ausnehmen und braten«, sagte die Sekretärin. »An der Stelle Ihrer Frau würde mir das stinken.«
»Es gibt dort hauptsächlich Zander«, sagte Harald, »aber ich mag den auch nicht gern ausnehmen.«
Beide grübelten.
»Ein kuscheliges Wellness-Wochenende kommt immer gut an«, schlug die Sekretärin vor. »Ich schaue mal im Internet, was es hier in der Nähe so gibt. Mir schwebt ein Verwöhnpaket vor: Aromaöl-Massagen, Aquajogging, Sauna, Gesichtspackungen und abends ein super Fünf-Gänge-Menü.«
»Wenn Sie meinen«, sagte Harald gedehnt, denn vor solchen Hotels graute ihm. »Sie können ja für alle Fälle mal ein bisschen recherchieren.«
Zu Hause fragte er allen Ernstes seinen Sohn um Rat.
»Wirklich, Papa? Ein ayurvedisches Weekend in einem Romantikhotel? Soll es eine Überraschung werden?«, fragte er ungläubig. »Mama muss schließlich ein Köfferchen mit ihren Kleidern, Kosmetika und eventuell einem Badeanzug mitnehmen. Wenn dieser Schuppen stinkfein ist, muss sie das vorher wissen...«
»Da hast du recht«, meinte Harald. »Ich werde ihre Sachen einfach selbst einpacken, du kannst mir ja dabei helfen.«
»Mama würde sicher auch gern mal wieder in ein Jazz-Konzert oder ins Theater gehen. Oder auf eine Gartenschau.«
»Nicht alles auf einmal, man sollte noch etwas für die Goldene Hochzeit aufheben«, knurrte Harald. »Ich glaube, das Wellness-Hotel ist absolut originell und nicht zu toppen.«
»Ich würde ja mitkommen«, sagte Max mitfühlend, »aber ich habe Pflichten. Dabei fällt mir ein, Opa hat sich heute das Rauchen abgewöhnt.«
»Das wird deine Mutter mehr begeistern als zehn Dampfbäder in Hamm!«
»Die türkischen Bäder heißen Hamam, Papa!«
Max freute sich auf die elternlosen Tage, denn das war eine einmalige Gelegenheit, um Jenny für zwei Nächte einzuschleusen - vielleicht sogar ins Doppelbett. Er hatte sie noch gar nicht gefragt, wann sie Dienst hatte.
Auch Petra machte sich Gedanken. Letztes Jahr hatte sie ihren Mann am Hochzeitstag etwas brüskiert, das musste diesmal wieder ausgewetzt werden - schließlich gab es eine besondere Zahl zu feiern. Auch sie fragte Max um seine Meinung.
»Vielleicht hat Papa irgendwelche Pläne«, nuschelte er, und seine Mutter spitzte die Ohren.
»Eine Kreuzfahrt?«, fragte sie.
Max schüttelte den Kopf.
»Man sollte nicht gleich nach den Sternen greifen«, sagte er und verdrückte sich.
Die Vorbereitungen für das Wochenende kamen langsam in Gang. Jenny versprach sofort, die beiden Nächte im Hause Knobel zu verbringen: vom frühen Abend an - wenn der Alte im Bett lag - bis zum späten Frühstück.
Petra begann schon einmal, ihren Kulturbeutel zu füllen, denn das war das Wichtigste für jede Reise. Dann begab sie sich persönlich ins Zimmer ihres Schwiegervaters.
»Am Freitag fahren Harald und ich irgendwo hin«, sagte sie stolz. »Er wollte mir auf keinen Fall verraten, was er vorhat. Es gibt auch einen besonderen Anlass, unsere Silberhochzeit.«
»Tatsächlich? Darauf müssen wir einen trinken«, sagte der Alte. »Ohne mich gäbe es nämlich keinen Harald.«
Petra rief lachend nach ihrem Mann. Er solle mit Flasche und Schwenkern bei seinem Vater antanzen, aber er mochte seit einiger Zeit keinen Cognac mehr. Also trank sie mit dem Alten ein Gläschen und noch ein zweites, bevor sie sich wieder zu ihrem Mann ins Wohnzimmer gesellte. Ihr Schwiegervater dachte an die eigene Silberhochzeit und wurde sentimental, am Schluss sogar leicht verwirrt. Als Max ihm eine gute Nacht wünschen wollte, wurde er mit »Ilse« angeredet.
»Was soll das Öl auf deinem Nachttisch?«, fragte Max.
»Lass es bitte stehen, morgen werde ich deine Nähmaschine wieder flottmachen«, sagte der Alte, und sein Enkel grinste.
»Dann werde ich dir endlich ein geblümtes Nachthemd nähen, Willy«, sagte Max. Sekundenlang
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