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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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abgehauen. Immer noch reagierte niemand auf die beiden Schüsse. Hochzufrieden wollte sich Willy Knobel wieder zur Ruhe betten, als die Tür aufgerissen wurde, die Deckenleuchte anging und Max vor ihm stand.
    »Hände hoch, oder ich schieße!«, sagte der Alte fröhlich und richtete die Pistole auf seinen halbnackten Enkel.
    »Um Gottes willen, Opa, warst du das gerade?«
    »Da wollte einer hier eindringen, dem hab' ich es aber gegeben! Auf und davon, dieser Hasenfuß! Keine Angst, Junge, Opa passt schon auf. - Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein!«
    Max nahm seinem Großvater die Waffe aus der Hand, legte sie auf den Nachttisch und sank erst einmal in den Ohrensessel, weil ihm schwarz vor den Augen wurde. Jetzt ist er endgültig übergeschnappt, dachte er, alles meine Schuld. Schließlich trat er auf den Balkon, stolperte über die dort herumliegende Decke, blickte hinunter und erkannte trotz der Dunkelheit: Da unten lag einer.
    Sollte er gleich einen Krankenwagen rufen oder erst selbst nach dem Rechten sehen? Etwas ängstlich rannte er die Kellertreppe hinunter, durchquerte die Garage, griff nach einer Taschenlampe und öffnete das Tor einen Spaltbreit.
    Da lag ein Verletzter, den er nun anleuchtete. War dieser Mann mit einer Eisenstange etwa der von Falko gedungene Schläger, der Max die Zähne einschlagen sollte? Es war tatsächlich Pit Bull, den der Großvater allem Anschein nach niedergestreckt hatte. Max, der sich nicht traute, seinem bewusstlosen Erzfeind den Puls zu fühlen, machte vorsichtshalber das Tor wieder zu, raste hinauf ins Schlafzimmer und holte Jenny, die schließlich etwas von Medizin verstand.
    Sie wagte sich, mit der Taschenlampe bewaffnet, etwas näher an den Lädierten heran, fing hysterisch an zu hecheln und brachte schließlich kaum hörbar hervor, was Max bereits ahnte: »Ich kenne ihn, das ist Pit Bull!«
    »Das weiß ich auch, aber wir müssen etwas unternehmen. Opa hat auf ihn geschossen. Hat es ihn ernsthaft erwischt?«, flüsterte Max.
    Jenny blieb eine Ewigkeit stumm. Dann sagte sie: »Er ist tot.«
    Max verschlug es eine Weile die Sprache, dann setzten beide gleichzeitig wieder an: »Wir müssen den Notruf...«
    »Lieber gleich die Polizei...«
    »Dann kommt Opa in den Knast...«
    »Eher in die Klapse...«
    Schließlich schleiften sie Pit Bull, der kaum blutete, erst mal an den Beinen in die Garage, nahmen auch die Eisenstange mit und schlossen das Tor ab.
    »Lass mich jetzt bloß nicht im Stich, Jenny!«, flehte Max und rannte die Treppe hinauf zu seinem Großvater.
    »Opa, wo hast du denn deine Decke, du musst dich wieder ins Bett legen und endlich schlafen. Die Einbrecher hast du wirklich vertrieben, aber die Pistole - wo hast du sie gelassen?«
    Trotziges Schweigen.
    »Okay, ich werde sie schon finden und wegschmeißen. Sonst kommen wir nämlich beide in Teufels Küche. Hast du überhaupt einen Waffenschein?«
    »Den braucht man als alter Soldat nicht«, brummte der Alte, ließ sich aber willig ins Bett bringen.

    Um halb vier saßen Max und Jenny immer noch in der Küche, tranken Kaffee und warteten auf den rettenden Einfall. Niemals würde der Großvater noch Verhöre und Untersuchungen durchstehen - um am Ende in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrischen Klinik Heppenheim zu landen.
    »Außer Falko weiß wahrscheinlich niemand, dass Pit Bull hier war«, sagte Jenny, »und der wird das Maul halten. Wir müssen die Leiche eben wegschaffen, solange es dunkel ist, gegen sechs wird es schon hell. Im Übrigen weine ich ihm keine Träne nach.«
    Max dachte plötzlich an jenen Tag, an dem alles Unglück begonnen hatte - als er Falkos angebliche Erbschaft zu einem Hehler bringen sollte. Er konnte sich noch genau an den verwilderten Schrebergarten erinnern: Es wäre ein idealer Ort, um die Leiche abzulegen. Und weit genug weg von hier.
    »Diesen Garten kenne ich auch«, sagte Jenny, und Max fragte lieber nicht, was sie dort erlebt hatte. Sie fand überdies, dass die Polizei durch den Fundort schnell auf Falkos Spur gelenkt werden und keinen Zusammenhang mit der Familie Knobel wittern würde.

    Von außen konnte man die Schussverletzung im Bauchbereich kaum erkennen, der Tote schien innerlich verblutet zu sein. In zwei Müllsäcke eingepackt ließe er sich am besten transportieren. Allerdings war Eile geboten. Wenn nämlich die Leichenstarre erst einmal einsetzte, konnte man den Körper nicht mehr biegen, meinte Jenny. »Er muss ja irgendwie

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