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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Lust dazu. Man konnte immer wieder Anzeigen in den Lokalzeitungen lesen, dass ein Schrebergarten günstig zu pachten sei, aber es meldeten sich fast keine Interessenten.
    »Höchstens Türken oder eine grüne Studenten-WG«, sagte Jenny, »aber die verlieren nach zwei Jahren die Lust oder ziehen weg.«
    Die Gefahr, entdeckt zu werden, hielt sich also in Grenzen.
    »Der Flieder blüht ja schon«, stellte Jenny fest. »Wenn wir Pit Bull los sind, breche ich mir ein paar Zweige ab.«
    Max fand das wieder wahnsinnig cool. Er öffnete die Hecktür und grauste sich, das Paket zum zweiten Mal anzufassen. Er war weder groß noch stark, aber was sollte Jenny von ihm denken?
    »Hau ruck!«, rief Jenny und fasste am unteren Ende an. Max musste notgedrungen zupacken, der massige Pit Bull wirkte jetzt viel schwerer als beim Einladen. Nach einigem Gezerre hatten sie ihn im feuchten Gras abgelegt. Max tränten die Augen, und er bekam einen Niesanfall. Der verfluchte Heuschnupfen machte ihm jedes Frühjahr zu schaffen.
    »Den können wir niemals schleppen«, sagte Jenny. »Wir packen ihn an den Beinen und schleifen ihn hinters Haus.«
    Über Steine, Dornen und Gestrüpp ging es leicht bergab, wobei die Plastikfolie an einigen Stellen in Fetzen riss. Max sah entsetzt, dass immer mehr Pit Bull zum Vorschein kam, aber Jenny meinte bloß: »Umso leichter komme ich an sein Geld.«
    Ein Kaninchen schreckte auf, ein Eichelhäher stieß Warnrufe aus, Max und Jenny hatten bereits nach wenigen Schritten nasse Hosenbeine. Aber die Knochenarbeit war relativ rasch erledigt. Der Tote war vom Weg aus nicht mehr sichtbar. Jenny machte vorne einen kleinen Schlitz in den Müllsack und suchte nach der Brieftasche.
    »Ich will nach Hause«, drängte Max. Doch Jenny wollte erst noch die Schleifspuren verwischen, die eigenen Fußstapfen glätten, und es sei überhaupt zu bedenken, ob man nicht eine Grube schaufeln sollte.
    »Was ist, wenn sich Wildschweine über den Kadaver hermachen ...«, meinte sie und zählte dabei Geldscheine; Max spürte einen erneuten Würgereiz. Es war ihm völlig egal, was mit der Leiche geschah, er wollte nur noch verschwinden. Außerdem hatten sie keinen Spaten dabei.
    Jenny war indessen nicht aufzuhalten, kletterte über einen kleinen Zaun und drang in eine benachbarte Laube ein. Triumphierend kam sie mit einer verbogenen Schaufel zurück. Sie begann zu graben, sah aber schnell ein, dass die Erde ausgetrocknet und knochenhart war.
    »Mach du mal weiter«, forderte sie ihren Komplizen auf.
    »Sie finden sowieso unsere Fingerabdrücke - am Auto, am Hüttenfenster, irgendwann sogar an den Müllsäcken«, sagte Max resigniert, »und sicherlich noch jede Menge DNA-Material. Ob wir ihn nun verscharren oder nicht, das spielt keine große Rolle mehr.«
    Jenny erschrak.
    »Scheiße! An Fingerabdrücke habe ich überhaupt nicht gedacht«, sagte sie. »Wir hätten von Anfang an Gummihandschuhe tragen sollen. Was schlägst du jetzt vor?«
    »Mir ist nur nach Heimfahren«, sagte Max und gähnte, »es ist fast halb sieben, um acht will Opa sein Frühstück.«
    »Ich hab's«, sagte Jenny, »wir legen ein Feuer. Pit Bull kommt auf die Matratze, dann stecken wir die Hütte an und hauen ab.«
    Max gab auf und sagte nichts mehr. Jenny schlug mit der Schaufel eine Fensterscheibe ein. Ungläubig sah Max zu, wie sie die zackigen Scherben mit einem Stein vom Rahmen abklopfte, sich am Fensterkreuz hochschwang und im Innern der Hütte verschwand. Kurz darauf öffnete sie die Tür und zog Max hinein.
    »Der Ersatzschlüssel war noch wie früher unter der Matratze versteckt«, sagte sie zufrieden.
    Es stank bestialisch. Im schummrigen Licht erkannte Max eine verschimmelte Matratze, rostige Werkzeuge und Spinnennetze, die sich quer durch den Raum spannten. Asseln, Schmeißfliegen und Käfer wurden aufgescheucht. Mitten auf dem Fußboden aus verschiedenen zusammengestoppelten Fliesen klebte eine tote Ratte. Es war nicht weiter schade, wenn dieses Loch in Flammen aufging.
    Jenny zündete sich eine Zigarette an und behielt das Feuerzeug in der Hand.
    »Hast du einen Benzinkanister im Auto?«, fragte sie, Max verneinte.
    »Es geht ja vielleicht auch so«, sagte sie. »Holen wir ihn erst mal rein.«
    Max musste zum dritten Mal den verhassten Pit Bull anheben. Sie ließen den Toten unsanft auf die vergammelte Unterlage plumpsen. Das vor einer Stunde noch ordentlich verschnürte Paket sah inzwischen reichlich ramponiert aus, aber die Flammen würden ja tabula

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