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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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und allen Befehlen gehorcht zu haben, wie es sein Eid verlangte, sich natürlich große Mühe gegeben, die »aus dem Delikt entstandenen Folgen« zu verschärfen und nicht sie abzumildern, da dies ja der Sabotage gleichgekommen wäre. Als einzigen »Milderungsgrund« führte er an, daß er sich bemüht habe, bei der Abwicklung seiner Aufgaben »unnötige Härten nach Möglichkeit zu vermeiden«; und ganz abgesehen davon, ob dies nun stimmte oder nicht und ob eine solche Einschränkung in einem so ungeheuerlichen Fall überhaupt zur Anrechnung mildernder Umstände ausgereicht hätte – sie war schon deshalb hinfällig, weil ›unnötige Härten zu vermeiden« ausdrücklich in seiner Dienstvorschrift stand.
    So stand denn, nachdem das Tonbandgerät dem Gericht Eichmanns bisherige Aussagen vorgetragen hatte, das Todesurteil sogar juristisch fest, wenn man davon absieht, daß nach Artikel 11 des israelischen Gesetzes auch das Vorliegen eines »höheren Befehls« einen Strafmilderungsgrund hätte konstituieren können; eine Möglichkeit, die im vorliegenden Fall kaum in Betracht kam. So hat denn auch die Verteidigung nicht auf höheren Befehl, sondern auf »Hoheitsakte« plädiert und mit dieser Begründung sogar Freispruch beantragt. Dr. Servatius hatte diese Strategie bereits in Nürnberg bei der Verteidigung von Fritz Sauekel, dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz im Rahmen des Vierjahresplans, angewandt, mit dem Erfolg, daß sein Mandant, der für die Ermordung Zehntausender jüdischer Arbeiter aus Polen verantwortlich war, 1946 in Nürnberg gehängt wurde. »Hoheitsakte«, in der deutschen Justiz bezeichnenderweise als »gerichtsfrei« oder »justizlos« definiert, beruhen auf der »Ausübung der souveränen Macht« des Staates [E.C.S. Wade in: »British Year Book for International Law«, 1934] und stehen daher gänzlich außerhalb des Rechtsbereichs, wohingegen Befehle und Verordnungen, theoretisch zumindest, immer noch unter juristischer Kontrolle stehen. Sah man Eichmanns Handlungen als Hoheitsakte an, dann hätte keiner seiner Vorgesetzten, am allerwenigstens das Staatsoberhaupt Hitler, von irgendeinem Gerichtshof der Welt abgeurteilt werden dürfen. Die Theorie der »justizlosen Hoheitsakte« paßte so gut in Dr. Servatius’ Weltanschauung, daß es eigentlich keine große Überraschung war, wenn er sie hier noch einmal ausprobierte; überraschend war lediglich, daß er nicht nach der Verlesung des Urteils und vor der Verkündung des Strafmaßes auf das Argument des »höheren Befehls« als mildernden Umstand zurückgriff.
    Auf jeden Fall ging der Prozeß weiter, auch als er juristisch gewissermaßen entschieden war, und in gewissem Sinne war man sogar dankbar, daß hier nicht wie in einem normalen Strafprozeß alle Äußerungen, die keinen direkten Bezug zu dem strafrechtlichen Verfahren haben, als irrelevant und unerheblich gestrichen werden mußten. Denn ganz offenbar waren die Dinge nicht so einfach, wie die Gesetzgeber sie sich vorstellten, und wenn es auch juristisch ohne Bedeutung sein mochte, so war es doch von hohem politischem Interesse festzustellen, wie lange ein durchschnittlicher Mensch dazu braucht, seinen eingeborenen Abscheu vor Verbrechen zu überwinden, und wie er sich im einzelnen verhält, wenn er diesen Punkt erreicht hat. Auf diese Frage hat der Fall Adolf Eichmann eine Antwort gebracht, die gar nicht klarer und präziser hätte sein können.
    Im September 1941, kurz nach seinem ersten offiziellen Besuch in den Vernichtungszentren im Osten, organisierte Eichmann seine ersten Massendeportationen aus Deutschland und dem Protektorat, dem Himmler gegenüber geäußerten »Wunsche« Hitlers entsprechend, das Reich so rasch wie möglich »judenrein« zu machen. Im Zusammenhang mit dem ersten großen Transport, der aus 20 000 Juden aus dem Rheinland und 5000 Zigeunern bestand, ereignete sich etwas Merkwürdiges. Eichmann, der niemals eigene Entscheidungen traf, der stets außerordentlich darauf bedacht war, von Befehlen »gedeckt« zu sein, der – was praktisch alle Leute, mit denen er je zusammengearbeitet hatte, immer wieder spontan bestätigten – von sich aus nicht einmal mit Vorschlägen hervortrat, sondern stets auf »Direktiven« wartete, ergriff jetzt »zum ersten Male und auch zum letzten Male« eine Initiative, die seinen Befehlen widersprach: anstatt diese Menschen nach Riga oder Minsk in die besetzten russischen Gebiete zu schicken, wo sie sofort von den

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