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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Dritten Reich«, die Eichmann gekannt haben mag, befahl: »Handle so, daß der Führer, wenn er von deinem Handeln Kenntnis hätte, dieses Handeln billigen würde« (»Die Technik des Staates«, 1942, S. 15f.). Natürlich ist es Kant nie in den Sinn gekommen, das Prinzip des Handelns einfach mit dem Prinzip des jeweiligen Gesetzgebers eines Landes oder den in ihm jeweils geltenden Gesetzen zu identifizieren, da für ihn ja jeder Bürger im Augenblick seines Handelns selbst Gesetzgeber wird durch den Gebrauch seiner »praktischen Vernunft«. Dennoch entspricht Eichmanns unbewußte Entstellung dem, was er selbst »den kategorischen Imperativ für den Hausgebrauch des kleinen Mannes« nannte. In diesem »Hausgebrauch« bleibt von Kants Geist nur noch die moralische Forderung übrig, nicht nur dem Buchstaben des Gesetzes zu gehorchen und sich so in den Grenzen der Legalität zu halten, sondern den eigenen Willen mit dem Geist des Gesetzes zu identifizieren – mit der Quelle, der das Gesetz entsprang. In Kants Philosophie war diese Quelle die praktische Vernunft; im Hausgebrauch, den Eichmann von ihr machte, war diese Quelle identisch geworden mit dem Willen des Führers. Viel von der gespenstisch peniblen Gründlichkeit, mit der die »Endlösung« in Gang gesetzt und gehalten wurde – einer Gründlichkeit, die auf Beobachter meistens als typisch deutsch oder doch als Charakteristikum des perfekten Bürokraten wirkt –, läßt sich auf die eigentümliche, in Deutschland tatsächlich sehr verbreitete Vorstellung zurückführen, daß Gesetzestreue sich nicht darin erschöpft, den Gesetzen zu folgen, sondern so zu handeln verlangt, als sei man selbst der Schöpfer der Gesetze, denen man gehorcht. Daraus entwickelt sich leicht die Überzeugung, mehr als seine Pflicht zu tun sei das mindeste, was man von sich verlangen müsse.
    Wie immer man Kants Einfluß auf die Entstehung der Mentalität »des kleinen Mannes« in Deutschland beurteilen mag, in einer Beziehung hat sich Eichmann ganz zweifellos wirklich an Kants Vorschriften gehalten: Gesetz war Gesetz, Ausnahmen durfte es nicht geben. In Jerusalem gab er zu, in zwei Fällen Ausnahmen gemacht zu haben – er hatte einer halbjüdischen Kusine geholfen und einem jüdischen Ehepaar aus Wien, für das sich sein Onkel verwendet hatte –, aber diese Inkonsequenz war ihm auch jetzt noch peinlich, und bei der Befragung im Kreuzverhör klang seine Erklärung, er habe diese Dinge seinen Vorgesetzten »erzählt, oder besser gesagt, gebeichtet«, unverhohlen apologetisch. Diese kompromißlose Haltung bei der Verrichtung seiner mörderischen Pflichten belastete ihn natürlich in den Augen des Gerichts mehr als alles andere, vor sich selbst aber fühlte er sich gerade durch sie gerechtfertigt, und es ist kein Zweifel, daß das Bewußtsein, Ausnahmen nicht geduldet zu haben, in ihm, was immer an Gewissen bei ihm noch übriggeblieben sein mochte, zum Schweigen brachte. Keine Ausnahmen, keine Kompromisse – das war der Beweis dafür, daß er stets gegen die »Neigung« – Gefühle oder Interessen – der Pflicht gefolgt war.
    Unerbittliche Pflichttreue war ihm damals bereits fast zum Verhängnis geworden, denn sie hatte ihn schließlich in offenen Konflikt mit den Befehlen seiner Vorgesetzten gebracht. Während des letzten Kriegsjahres, über zwei Jahre nach der Wannsee-Konferenz, erlebte er seine letzte Gewissenskrise. Als die Niederlage heranrückte, traf er auf Männer aus den eigenen Reihen, die sich immer nachdrücklicher für Ausnahmen einsetzten, schließlich sogar für den völligen Abbruch der »Endlösung«. Für ihn war das der Augenblick, seine übliche Vorsicht aufzugeben und noch einmal selbst die Initiative zu ergreifen, zum Beispiel organisierte er den Fußmarsch der Juden von Budapest zur österreichischen Grenze, nachdem die alliierten Bombenangriffe das Transportsystem lahmgelegt hatten. Damals schrieb man Herbst 1944; Eichmann wußte, daß Himmler die Demontage der Vernichtungsanlagen in Auschwitz angeordnet hatte, daß das Spiel aus war. Um diese Zeit hatte Eichmann eine seiner wenigen persönlichen Besprechungen mit Himmler, der ihn angebrüllt haben soll: »Wenn Sie bisher Juden ausrotteten, so müssen Sie, wenn ich es wie in diesem Falle wünsche, jetzt Judenpfleger sein. Ich erinnere Sie daran, daß nicht der Gruppenführer Müller oder Sie, sondern ich 1933 das RSHA gegründet habe und daß ich befehle.« Als einziger Zeuge für diese Worte bürgt der recht

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