Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Auf
einen Sprung, versteht sich, um nach dem Rechten zu sehen. Man konnte ja nie wissen,
wofür das gut sein würde.
»So, was
mich betrifft, wäre ich so weit.« Malinowski blickte kurz auf, zur Abwechslung einmal
in Sydows Richtung, was dieser mit skeptischer Miene quittierte. »Verlieren wir
also keine Zeit.«
Sydow begnügte
sich mit einem Nicken.
»Gehe ich
recht in der Vermutung, dass Sie bereit sind, das Erbe Ihrer Tante anzunehmen?«
Gehst du!,
dachte Sydow bei sich. Wird mir ja nichts anderes übrig bleiben. Reichtümer, um
es krass auszudrücken, waren ohnehin nicht zu erwarten, umso mehr, als Tante Lus
Einkünfte eher bescheiden und die Kosten für das Einzimmerappartement im Pflegeheim
nicht gerade niedrig gewesen waren.
»Bin ich,
Herr Doktor, bin ich.«
Erfreut
über so viel Wertschätzung, richtete sich Malinowski zu voller Größe auf, ließ die
Fingerkuppen auf der Schreibtischkante ruhen und erläuterte: »Was jetzt kommt, werte
Herrschaften, ist Teil der üblichen Prozedur. Ich bitte darum, mir dies nicht übel
…«
»Wie kämen
wir dazu, Herr Doktor!«, versicherte Lea und verstärkte den Druck ihrer Hand, die
immer noch auf Sydows Knie ruhte. »Mein Mann und ich haben vollstes Verständnis
dafür, nicht wahr, Tom?«
Sydow schnitt
eine gekünstelte Grimasse. »Aber gewiss doch, Liebes!«, beeilte er sich zu antworten,
bereit, die Komödie mitzuspielen. »Nur zu – wir sind ganz Ohr!«
»Freut mich
zu hören«, erwiderte Malinowski, wobei Sydow sicher war, dass er ihn durchschaute.
»Also: Sind Sie Thomas Randolph von Sydow, Sohn des Freiherrn Adalbert von Sydow,
von Beruf Kriminalhauptkommissar, geboren am 13. März 1913 in Neuruppin?«
»Ich denke
schon.«
»Aus den
mir vorliegenden Unterlagen und dem letzten Willen Ihrer Tante Luise von Zitzewitz,
geborene von Sydow, geht hervor, dass Sie – aufgrund beiliegender, vom 11. des Monats
datierter Willenserklärung – das einzige noch lebende und somit erbberechtigte Familienmitglied
ihrer kinderlosen Tante sind.« Malinowski räusperte sich, zwirbelte an seinen opulent
sprießenden Brauen herum und fragte: »Aus beiliegender, an Eides statt abgegebenen
Erklärung vom April 1946 geht überdies hervor, dass Ihr Vater und Ihre Schwester
namens … äh … wie lautete der Name doch gleich?«
»Agnes.«
Sydow holte tief Luft. »Beide Opfer eines amerikanischen Luftangriffs auf Berlin.
Sterbedatum: 3. Februar 1945. Todesursache: Rauchvergiftung, genau wie bei meinem
Vater. Nachzulesen in der eingangs erwähnten Erklärung einer Nachbarin, die den
Luftangriff überlebt hat und unter den Ersten war, die sich in den Keller vorgearbeitet
haben. Ort der Bestattung: unbekannt, da beide in einem nicht mehr exakt lokalisierbaren
Massengrab beigesetzt worden sind.« Sydows Miene verfinsterte sich. »Tja, Herr Anwalt,
so ist das, wenn weit über 1.000 US-Bomber von der Leine gelassen werden. Da bleibt
kaum ein Stein auf dem anderen, und wenn man dann noch das Pech hat, in einem unzureichend
gesicherten Kellerloch zu hocken, gehen die Chancen gegen null. Wenn wir gerade
dabei sind: So wie Vater und Agnes ist es 3.000 anderen Berlinern auch ergangen.
Führer, wir danken dir!«
Peinlich
berührt, zog Malinowski es vor, die Worte seines Gesprächspartners kommentarlos
hinzunehmen. »Kurzum: Aus sämtlichen mir vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass
Sie, Herr Kriminalhauptkommissar, berechtigt sind, die Erbschaft Ihrer Tante anzutreten.«
»Wenn Sie
es sagen, Herr Doktor «, erwiderte Sydow, wobei er das letzte Wort seiner
Replik besonders betonte und Leas Griff, der allmählich die Schmerzgrenze erreichte,
unter Aufbietung all seiner Selbstbeherrschung ignorierte, »wenn Sie es sagen, wird
es ja wohl stimmen, oder?«
Malinowski,
dem die Vorfreude auf das Kommende ins Gesicht geschrieben stand, tat so, als bemerke
er den Sarkasmus Sydow’scher Prägung nicht, lehnte sich zurück und sah sein Gegenüber
lange und eindringlich an. »Und da dem so ist, habe ich eine gute Nachricht für
Sie!«
»Und die
wäre?«
»Nach herkömmlicher
Auffassung sind Sie, Herr von Sydow – und damit auch Sie, hochverehrte gnädige
Frau – vom heutigen Tag an ein reicher Mann.« Ein Lächeln, so breit wie missgünstig,
erschien auf Malinowskis Gesicht, und es hatte den Anschein, als würde es dort ewig
haften bleiben. »Reich, Herr von Sydow, Sie haben richtig gehört. So reich, dass
Sie Ihren Beruf an den Nagel hängen können.« Sichtlich zufrieden, lehnte sich
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