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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Sekunden verstreichen, bevor er die nächste Frage stellte.
    Eine Frage,
die, obwohl sie nur aus zwei Worten bestand, ihn einiges an Überwindung kostete.
»Und Vater?«
    »Bei ihm
war es nicht so schlimm. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.« In Gedanken weit weg,
fiel es der Rentnerin schwer, ihre Erinnerungen abzustreifen. »Eins solltest du
jedoch wissen, Tom«, fuhr sie mit belegter Stimme fort, »alle miteinander, ob leicht,
schwer oder bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, alle miteinander haben sie einen
sanften Tod gehabt. Keiner, der verkrampft oder zusammengekauert oder erschrocken
gewesen wäre. Das kann ich dir versichern. Die Kinder waren aneinander gekuschelt,
die Erwachsenen ruhig und entspannt, ungefähr so, als würden sie ein Schläfchen
halten. Auf die Gefahr, dass du mich für meschugge hältst, Tom: Alles sah ruhig
und friedlich aus. Sie sind erstickt, mein Junge, einfach erstickt. Eine Ritze,
durch die giftiger Rauch eindrang – und schon war es geschehen. Binnen Sekunden.
Ich weiß zwar nicht, ob es ein Trost für dich ist: Dein Vater, Tom, hat nicht lange
leiden müssen.«
    Natürlich
war es das, obwohl Sydow sich schwergetan hätte, dies zuzugeben. Trotz der Distanz,
die zwischen ihm und Vater geherrscht hatte, waren dessen Tod und die Umstände,
die dazu geführt hatten, nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Wie auch, handelte
es sich doch nicht um jemand Wildfremdes, sondern um einen Menschen, der einfach
nicht aus seiner Haut gekonnt hatte. Das war tragisch, aber nicht zu ändern. Und
das war einer der Gründe, weshalb Sydow gegenüber Agnes, dem verwöhnten Nesthäkchen,
auf verlorenem Posten gestanden war.
    »Hörst du
mir überhaupt zu, Herr Kommissar?«
    »Tut mir
leid, ich war in Gedanken.«
    »Darf ich
dir einen Rat geben, Tom?«, entgegnete Hermine Pasewalk, nachdem sie einen Blick
auf die Uhr geworfen und Ausschau nach ihrer Schwiegertochter gehalten hatte, mit
der sie um halb fünf verabredet war. »Den Rat einer verschrobenen alten Schachtel?«
    »Selbstverständlich«,
antwortete Sydow, die Andeutung eines Lächelns im Gesicht. »Grünschnäbel wie ich
sind für jeden Rat dankbar.« Und ergänzte: »Oder sollten es zumindest sein.«
    »Recht so,
junger Mann!«, bekräftigte die Kriegerwitwe, nachdem sie den VW ihrer Schwiegertochter
ausfindig gemacht, ihr zugewunken und Sydows Hand ergriffen hatte, um ihm Lebewohl
zu sagen. »Du weißt doch: Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden!«
     
    *
     
    »Tom Sydow – welch Glanz in meiner
Hütte! Komm rein, oder hast du Schiss vor mir?«
    Nein, hatte
er nicht. Vor Paul Bartels, dem Polizeizeichner, brauchte kein Mensch Angst zu haben.
Es sei denn, man war so tollkühn, seine Werke zu kritisieren, doch dafür gab es
keinen Grund. Der 34-jährige Chaot, Absolvent des Konservatoriums und überzeugter
Junggeselle, war ein echter Könner, und nicht nur Sydow bewunderte die Akribie,
mit der er zu Werke ging.
    »Vor einer
halben Portion wie dir?«, amüsierte sich Sydow, nachdem er den Raum im zweiten Stock
betreten und sich einen Weg zum einzigen Stuhl gebahnt hatte, auf dem keine leeren
Tassen, Pappteller oder Becher abgestellt worden waren. »Das ist doch wohl nicht
dein Ernst!«
    »Nimm dich
in Acht, Sydow!«, drohte Bartels im Scherz, aufgrund seiner Größe von 1,59 Metern
in Tateinheit mit einem ovalen Schädel, Segelohren und einer imposanten Hakennase
geradezu prädestiniert für Frotzeleien, »sonst kriegst du es mit mir zu tun. Wenn
du denkst, du kannst dich über mich lustig machen, werde ich dir die Freundschaft
kündigen.«
    »Alles,
nur das nicht, Paulchen.«
    »Im Klartext:
Der einsame Wolf unter Berlins Kommissaren ist auf Beutezug. Und bedarf meiner Hilfe.«
Auf seinen Zeichentisch gestützt, setzte Bartels ein selbstgefälliges Lächeln auf,
knubbelte hingebungsvoll an seinem Riechorgan herum und zog die Antwort auf Sydows
Frage genüsslich hinaus. Dann erst, mit gehöriger Verspätung, blitzte er ihn über
die Ränder seiner Brille hinweg an. »Was liegt an, Durchlaucht, wo drückt der Schuh?«
    »Hier –
sieh dir das mal an.«
    »Weil du’s
bist!«, gab sich Bartels betont jovial und durchmaß sein Büro, in dem es aussah,
als habe eine Bombe eingeschlagen. Überall, sogar auf dem Fensterbrett, lagen Fotos,
Zeichnungen, unvollendete Skizzen und Notizen herum, garniert mit Aschenbechern,
Zigarettenschachteln und Papierknäueln, an denen er seine Wut abreagiert hatte.
»Zeig her, du Banause.«
    »Ein

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