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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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wenn er etwas
beherrschte, dann die Kunst, mit Kunden dieses Schlages umzugehen. »Sie wissen doch
– geteiltes Leid ist halbes Leid.«
    »Sie sind
doch nicht gekommen, um sich bei mir auszuheulen, oder?«, blaffte der Chefredakteur,
Krokowskis Schätzung zufolge höchstens 35 Jahre alt. »Das wäre ja was ganz Neues.«
    »Nein, Herr
von Westerburg«, erwiderte Krokowski mit einem ebenso undurchsichtigen wie auch
künstlichen Lächeln und ließ den Blick durch das Büro des Chefredakteurs schweifen.
»Wenn hier jemand in Tränen ausbrechen müsste, dann Sie.«
    »Wieso denn?«
    Rein äußerlich
die Ruhe selbst, fiel es Krokowski schwer, den rüden Tonfall zu ignorieren. Dieser
Maulheld war ihm von Anbeginn unsympathisch gewesen, und das nicht nur aufgrund
des unfreundlichen Empfangs. Jörg von Westerburg hatte einfach das Pech, all das
zu verkörpern, was ihn auf die Palme brachte, angefangen beim Zigarettenrauch, dessen
Geruch seinem Anzug anhaftete, bis hin zu seinem Auftreten, das demjenigen eines
nassforschen Korpsstudenten entsprach. Das Gleiche galt für sein Aussehen. Westerburg
war groß, drahtig und so sehr von sich eingenommen, das seine Duldsamkeit auf eine
harte Probe gestellt wurde. Darüber hinaus hatte er blondes, zu einem Bürstenschnitt
zurechtgestutztes Haar, eine Narbe im Gesicht und einen Blick, der vor Überheblichkeit
nur so strotzte. »Wieso, fragen Sie? Na schön: Es geht um Theodor Morell.«
    »Ja und
– was ist mit ihm?«
    Krokowski
konnte es nicht ausstehen, wenn er von oben herab behandelt wurde. Und er konnte
es ebenfalls nicht ausstehen, wenn man versuchte, ihn an der Nase herumzuführen.
Ein Umstand, den Westerburg zu spüren bekam: »Ich würde vorschlagen, Herr von Westerburg
–«, entgegnete er, wobei er das ›von‹ im Namen seines Widersachers deutlich betonte
und einen ungleich schärferen Tonfall anschlug, »ich würde vorschlagen, Sie verzichten
darauf, mir eine Komödie vorzuspielen.« Als Zeichen, dass seine Geduld erschöpft
war, zückte Krokowski seinen Bleistift und sah sein Gegenüber mit gerunzelten Brauen
an. Dann dämpfte er die Stimme und sagte: »Wie mittlerweile bekannt wurde, ist Theodor
Morell, einer ihrer Mitarbeiter, Zeuge eines Gewaltverbrechens geworden.«
    »Davon weiß
ich nichts.«
    »Wenn jemand
weiß, wann, wo und von wem in Berlin ein Verbrechen verübt worden ist, dann Sie,
oder? Ist ja schließlich Ihr Job, die Welt mit Sensationen zu beliefern.«
    Der Hieb
saß. Gerade eben noch die Arroganz in Person, ließ Westerburg den Aktenstapel, den
er in der Hand gehalten hatte, auf seinen Schreibtisch und sich selbst auf den dahinter
befindlichen Ledersessel sinken. »Das muss ich mir nicht gefallen …«
    »Sie werden
staunen, Herr Chefredakteur, was man sich von der Polizei so alles gefallen lassen
muss.«
    »Soll das
etwa eine Drohung sein?«
    »Wo denken
Sie hin, wir sind ja nicht bei einem Verhör.« Krokowski setzte ein treuherziges
Lächeln auf, und obwohl es nicht seine Art war, genoss er die Situation in vollen
Zügen. »Also: Wann genau haben Sie zum letzten Mal mit ihm gesprochen?«
    »Mit Morell?
Heute Morgen.«
    »Uhrzeit?«
    »So leid
es mir tut, das kann ich nicht genau sagen.« Der Chefredakteur beugte sich nach
vorn, nahm die Pose des wohlmeinenden Ratgebers ein und verkündete: »Wissen Sie,
Herr …«
    »Kriminalkommissar.«
    »Wissen
Sie, als Chefredakteur kann man sich über einen Mangel an Beschäftigung nicht beklagen.
Da hat man nicht die Zeit, den Kontrolleur zu spielen.«
    »Mit anderen
Worten: Sie lassen Ihren Mitarbeitern freie Hand.«
    »Das wollte
ich damit nicht sagen«, knirschte Westerburg, kurz davor, aus der Haut zu fahren.
»Ich kann mich eben nicht um alles kümmern.«
    »Das sollen
Sie auch nicht, Herr von Westerburg.« Des Katz-und-Maus-Spiels müde, warf Krokowski
den Notizblock auf den blank polierten Nierentisch, der den Mittelpunkt einer an
Hässlichkeit nicht zu überbietenden Sitzgruppe bildete, richtete sich auf und sah
den Chefredakteur mit gerunzelten Brauen an. »Alles, worum ich Sie bitte, wäre,
mit mir an einem Strang zu ziehen. Also: Wem oder was war Morell auf der Spur?«
    »Ob Sie’s
glauben oder nicht: Ich habe keine Ahnung.« Darauf bedacht, seine Verlegenheit zu
überspielen, nahm der Chefredakteur die aktuelle Ausgabe seines Blattes zur Hand,
faltete sie auseinander und gab vor, die Schlagzeilen auf der Titelseite zu überfliegen.
»Sie sehen doch: Bis ich dazu komme, Zeitung zu lesen, ist der

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