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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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festgezogen hatte. Vom Baum her ein Triumphschrei. Tarzan warf das andere Ende der Leine nach unten, kletterte behende und in größter Eile den Stamm hinunter. Ich schloss das Fenster. Aber mir war klar, dass diese Maßnahme nicht genügen würde. Wenn der entfesselte Lutz es tatsächlich schaffen sollte, irgendwie auf den Balkon zu gelangen – hatte mir Julia nicht erzählt, er habe eine Zeit lang bei einer Gartenbaufirma gearbeitet, wo er an Seilen in hohe Bäume hatte klettern müssen? –, musste ich schwerere Geschütze auffahren. Zähneknirschend verfluchte ich Christiane. Und schaute mich im Balkonzimmer nach geeigneten Möbeln für eine Barrikade um.

    Eine Stunde später war das Haus gesichert, Christiane noch immer nicht erschienen und ich schwitzte wie zehntausend Elfen, die gegen zehntausend wild gewordene Einhörner gekämpft hatten. Ich verabschiedete mich für die nächste halbe Stunde unter die kalte Dusche, stellte vorher pflichtschuldigst den Backofen auf fünfzig Grad. Da ich das Küchenfenster verbarrikadiert hatte, konnte ich Lutz diese beruhigende Nachricht nicht mehr mitteilen. Ich hatte bei allen Fenstern die Rollladen heruntergelassen und sie zusätzlich durch Barrieren geschützt. Vor der Balkontür stand ein Schrank, den ich in zwanzigminütiger fluchender Schwerstarbeit Zentimeter für Zentimeter bewegt hatte, das Fenster des großen Zimmers war mit einer Kommode verbarrikadiert, darauf hatte ich Stühle gestapelt. Picco war keine Hilfe gewesen. Bauarbeiterpfiffe ausstoßend und lauthals keckernd kreiste er um mich. Mir war klar, dass sein Geprotze nur Ausdruck einer tiefer sitzenden Verwirrung sein konnte, aber ich hatte keine Zeit, mich um hochsensible, hilflose Papageien zu kümmern, die zufällig zwischen die Fronten geraten waren und jetzt vielleicht unter Loyalitätskonflikten litten. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, ihm ein Beruhigungsmittel unter die Erdbeeren zu mischen. Was nur daran scheiterte, dass im ganzen Haus kein Beruhigungsmittel zu finden war, außer einer Dose Bier und Christianes Rotwein. Und das Letzte, was ich jetzt außer einem protzenden Papagei brauchte, war ein besoffener Papagei.
    Ich duschte, zog mich um und inspizierte den Balkon. Um über meine eigene Barrikade spähen zu können, stieg ich auf einen Sessel, sah immer noch nicht genug, musste mich so weit erniedrigen, auf dem Sessel auf und ab zu hüpfen, umflattert von einem pfeifenden und »Zieh die Latschn aus, wannsd reinkimmst« kreischenden Picco. Trotzdem hörte ich das Ächzen des Balkongitters, hörte Flüche und Verwünschungen und Julias flehende Stimme, er solle das doch bitte lassen. Tatsächlich knirschte der Sonnenschirm und schwankte bedenklich. Ich fügte der Schrank-und-Sessel-Barrikade noch einen Tisch hinzu und stieg mit leichten Schuldgefühlen die Treppe wieder hinunter, um nach der Haxe zu schauen. Mir schien, dass der Backofen zu langsam abkühlte. In der Küche machte sich unter köstlichen, exotischen Düften ein leichter Geruch nach Verbranntem breit, ein Geruch, der auf keinen Fall nach außen dringen durfte. Hinter dem heruntergelassenen Rollladen und einer Regalbarrikade hatte ich das Fenster gekippt, nicht nur wegen der Hitze, auch, um einen gewissen Kontakt zum Geschehen draußen zu halten. Mit einem Geschirrhandtuch wedelte ich nun die verbrannte Luft Richtung Flur. Draußen Stimmengewirr, darüber ein heiseres »Highway to hell« vom Chor, Thereses Schlachtrufe. Und von fern eine Polizeisirene.
    Jemand klopfte ans Fenster.
    »Gina? Bist du da drinnen?«
    Quirin. Bestimmt stand die gackernde Susn neben ihm. Auch wenn ich nichts von ihr hörte. Vielleicht hatte sein dringendes Bekenntnis von vorhin sie verstummen lassen. Vielleicht lehnte sie dümmlich lächelnd und selig verliebt an seiner Schulter.
    »Gina? Sag doch was, bitte!« Seine Stimme klang besorgt. So besorgt, dass ich widerwillig antwortete.
    »Ja, ich bin hier drinnen. Und?«
    »Willst du nicht lieber rauskommen? Wir müssen reden!«
    »Was gibt es zu reden?«
    »Das kann ich dir beim besten Willen nicht hier … verdammt! Vielleicht machst du mal kurz die Tür auf?«
    Hielt er mich für so beschränkt? Die Tür öffnen, damit nicht nur Lutz und Julia, sondern auch Therese, die sich schnellstens von ihrer Kette befreien würde, hereinstürmen konnten? Die Stellung, die ich so lange für Christiane gehalten hatte, aufgeben? Und wo blieb Christiane eigentlich?
    Ich sagte Quirin freundlich, aber bestimmt, dass

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