Eiertanz: Roman (German Edition)
vorbeirollte. Auf Bügeln schwankten glitzernde, grellfarbige, auch weißblaue Kleider, Hosen und Umhänge.
»Und was is nacha des?«, fragte Therese von ihrem Hocker aus.
»A Auswahl von Özcans Modellen.« Franzi nahm einen Schluck von ihrem nervenberuhigenden Dunklen mit Karamellabgang.
»Des gibt’s doch ned! Ich mach hier die Modenschau!«
»Dann mach’s doch!«, rief Franzi. Özcan parkte den Kleiderständer an ihrem Stand, die ersten Schaulustigen blieben stehen. Und ich bewegte mich unauffällig weiter Richtung Haus, unbeobachtet von Therese, die sich erhoben hatte und mit zusammengekniffenen Augen zu Franzis Stand herüberspähte. »Des is ned fair! Jetzt, wo i ned kann!«
Aber Franzi ließ sich nicht stören, baute schon in aller Ruhe mit Özcan aus Stehlampen und einem Duschvorhang eine Umkleidekabine, begrüßte den Bürgermeister, der an ihren Stand trat, in Begleitung von Veit Strobl. Von seinem Sohn keine Spur, vielleicht war er tatsächlich schon mit Christiane beim Notar.
»Des muss geräumt werrn!« Veit Strobl zupfte wild an seinem Seelöwenbart. »Holts sofort die Polizei!«
»Jetzt gleich?« Der Bürgermeister schaute sich unschlüssig um, und ich erstarrte dort, wo ich war, wenige Meter vor der offenen Tür.
»Na los, räumts doch! Holts doch die Polizei! I geh ned freiwillig, erst, wenns mi wegtragen! Des is a Frage der Ehre!« Therese riss an ihrer Kette. Ich wagte einige schnelle Schritte Richtung Ziel.
»Herr Bürgermeister? Wenns a glei no a Machtwort sprechn könntn? Is des a fairer Wettbewerb, wann die ein Schild gegn meine Leberkassemmeln aufstellen duan?«
»Hier geht’s ned um Leberkassemmeln! Des is a Politik und a Widerstand! Warum san die Leut von der Zeitung no ned da? I geh erst, wanns mi wegtragen!«
»Wegtragn? I?« Der Bürgermeister musterte Therese entsetzt, schien abzuwägen, ob er sie stemmen konnte, und sie sah ihn ihrerseits herausfordernd an. Meine Gelegenheit! Ich drückte mich rasch an ihnen vorbei, wischte durch die offene Tür in den Flur.
»Aber des … do! Schau her! Wos is des jetza?« Die Stimme der Nail-Art-Metzgerin.
»Halt, stehn bliebn! Sofort stehn bleim!«, kreischte es von draußen, ich knallte die Tür zu, tastete mit zitternden Fingern in der Box auf der Kommode nach dem Schlüssel, wenn ihn bloß niemand mitgenommen hatte … Und wo um Himmels willen war eigentlich mein Schlüssel, noch immer in der Tauchschule?
»Des is widerrechtlich! Des is a besetztes Haus! Haltet sie auf!«
»Äh, widerrechtlich?« Die Stimme des Bürgermeisters. Rasche Schritte auf dem Kiesweg.
Das kalte Metall unter meinen Fingern. Der Schlüssel!
»Meine Haxe«, jaulte es draußen auf, dicht an der Tür, »lasst mich sofort zu meiner Haxe, sonst passiert was!«
19.
S chwer atmend stand ich hinter der Tür. Ich hatte es gerade noch geschafft, den Schlüssel herumzudrehen, bevor Lutz gegen die Türfüllung krachte und wie besessen an der Klinke rüttelte. Jetzt galt es, das Haus zu sichern. Zuerst kontrollierte ich die Fenster im Erdgeschoss. Draußen tobte Lutz, bollerte gegen die Haustür, auch andere regten sich auf:
»Des is ned fair, des is a besetztes Haus!«
»Holt die Polizei!«
»Entschuldigens, Therese, aber was soll die Polizei denn macha, sie is doch die Angestellte vo da Erbin?«
Das Fenster im großen Zimmer war gekippt, ich schloss es, ebenso mein Schlafzimmerfenster. In der Küche war es unerträglich heiß, der Ofen war auf zweihundert Grad geheizt, im Römertopf schmurgelte ein klumpiges, bräunliches Gebilde, das sehr viel besser duftete, als es aussah.
»Gina, bitte!« Julias Stimme, gedämpft durch die Fensterscheibe, von draußen. »Du weißt doch, was ihm die Haxe bedeutet. Das ist kein Spaß!« Ich stellte mich vor die Scheibe, tippte mir an die Stirn. Glaubte sie ernsthaft, ich hätte mich aus Spaß hier eingeschlossen? Lutz heulte auf, versuchte einen Sprung Richtung Fenstersims, von Julia mühsam zurückgehalten. Ich seufzte, suchte ein Stück Pappe, fand den Marker, den Julia für die kleineren Transparente benutzt hatte.
»Ich versprech dir, ich pass auf deine Haxe auf«, schrieb ich in ebenso roten, geraden Lettern wie Julia. Worauf Lutz sich verzweifelt herumwarf, zwei Runden drehte, in unruhigem Panthergang. Um dann ebenfalls einen Zettel zu bekritzeln und ihn mit zitternden Händen hochzuhalten. Ich presste mein Gesicht an die Fensterscheibe, versuchte, sein Gekrakel zu entziffern: »Stell sie in einer Stunde auf
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