Eiertanz: Roman (German Edition)
wegtragen, mi, is des denn so schwer!«, rief Therese dazwischen, und Strobl hob die Stimme: »Falls Ihre Chefin verhindert ist, Frau Zuhlau, stellen Sie doch den Antrag, damit das hier ein Ende …«
»Woaßt was, Therese?«, unterbrach ihn jemand brüllend. »Glei packma selba zu, wennsd unbedingt anglangt werrn wuist!«
Strobl seufzte genervt: »Bitte, Vater, halt dich da raus. Wir werden das alles zivilisiert regeln, Frau Zuhlau und ich.« Während ich ihm zustimmte, tippte ich schon Christianes Nummer. Diesmal meldete sich die Mailbox, und ich ging in den Flur, um ihr mitzuteilen, dass wir den Antrag bräuchten, und sie solle … An dieser Stelle ließen mich meine angespannten Nerven im Stich, meine Stimme brach, und ich hielt das Handy einen Moment von mir ab, unterdrückte einen Schluchzer, dann drückte ich es wieder ans Ohr und vollendete meinen Satz: Sie solle endlich ihren Hintern bewegen und herkommen. Eine Weile stand ich danach fassungslos im Flur, umflattert von einem gleichfalls fassungslosen, anhänglichen und in seiner Verstörtheit besonders klecksfreudigen Papagei, und fragte mich, warum die Menschheit ins All fliegen konnte und Satelliten in den Weltraum schicken, aber immer noch nicht imstande war, einmal auf Mailboxen gesprochene oder, wenn ich ehrlich war, eher geschriene Worte wieder zurückzuholen. Wenn ich wenigstens Hintern gesagt hätte. Aber ich hatte ein anderes Wort gebraucht, und jetzt würde Christiane mich endgültig feuern.
Erst als ich wieder in die Küche zurückkehrte, um Alexander Strobl mitzuteilen, dass ich keine Ahnung hatte, wo meine Chefin sich befand, und dass ich über den Strafantrag nachdenken würde, fiel mir ein, dass ich höchstwahrscheinlich sowieso keinen Job mehr hatte. Falls nicht ein Wunder geschah. Und irgendwie sah alles immer weniger nach Wunder aus.
Alexander Strobl antwortete nicht auf meine beherrschte, freundliche, aber bestimmte Mitteilung. Dafür war das Stimmengemurmel massiv angeschwollen. Die Kapelle wechselte ohne Vorwarnung von einem Ländler zu einem strammen Marsch, in dessen Takt sie sich ohrenbetäubend näherte, und ich verharrte stumm vor dem Küchenfenster, wollte mich nicht so weit erniedrigen, nach Strobl zu schreien. Der Marsch wurde lauter, schmissiger, schneller. Und verebbte überraschend, erst verabschiedete sich die in den höchsten Tönen schmetternde Trompete mit einem entsetzten Quieken, nach und nach verstummten auch die anderen Instrumente. Laute, entsetzte, auch freudige Rufe.
»Er ist oben! Da schau her!«
»Bravo!«
Applaus.
Über mir polterte es. Es war zu spät. Und ich war erschöpft. Verlassen von aller Welt. Es war jetzt auch schon egal. Ich sank auf den Stuhl neben dem Fenster. Betrachtete verloren den Römertopf im kalten Backofen. Die Haxe schmorte nicht mehr. Aber immerhin war sie auch nicht verbrannt. Stimmen jetzt, von irgendwo über mir. Viele Stimmen. Jetzt krachte es auf der Treppe. Picco kroch noch ein wenig näher an mich heran, versuchte es mit einem kläglichen: »Zieh d’ Latschn aus, wannsd reinkimmst.« Seine Federn kitzelten mein Ohr.
»Wo ist sie?«
Lutz stürzte herein, ignorierte Piccos schuldbewusste Begrüßung, ihm folgten ein Feuerwehrmann und Julia. Lutz riss die Backofentür auf. Sein Rücken leuchtete brandrot. In diesem Moment war ich froh, dass Julia, bei aller esoterischen Schulung, noch keine Gedanken lesen konnte. Denn ich schämte mich selbst dafür, dass ich in dieser schicksalsschweren Sekunde an nichts anderes denken konnte als daran, dass Lutz bestimmt in nächster Zeit und wahrscheinlich auch später niemals Rheuma bekommen würde, angesichts dieser Brennnesselkur.
Julia sagte kein Wort, warf mir nur einen Blick zu, an den ich vermutlich noch in zwanzig Jahren denken würde, ging durch den Flur zur Haustür und drehte den Schlüssel um.
20.
I ch verließ das Haus in Begleitung von zwei Feuerwehrmännern in Uniform. Hinter mir marschierte Anderl, der seinen Männern befahl, guad auf das Madl aufzupassn. Er trug ebenfalls eine schmucke Uniform, roch aber eher nach Après-Feuerwehr, nach erfolgreicher Löschung an allen Fronten, mit Wasser und Schnaps. Auf dem Kies ein blank geputztes Feuerwehrauto. Mit ausgefahrener Leiter bis zum Dach. Bis zur offenen Luke, an die ich nicht gedacht hatte, neben dem »Rettet die Romantik«-Transparent.
»Madls, wos machts aber a für Sachn, könnts euch ned vertragn?«
Anderl legte mir einen Moment die Hand auf die Schulter, seine
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