Eiertanz: Roman (German Edition)
Handkarren heranschleppte. »Probier amoi des Bia, a Dunkles mit am hopfigen Antrunk und am Abgang nach Karamell, des is guad für d’ Nerven.« Franzi hatte immerhin den Anstand besessen, einen eigenen Klapptisch aufzustellen, mit Rautendecke, hinter dem auf zwei Stangen ein mitgebrachtes weißblaues Transparent mit der Aufschrift »Bierkönigin Franzi 2011« prangte, und es war vielleicht ungerecht, gerade sie anzuschreien, mit meinen Nerven sei alles supi, in bester Ordnung, danke!
»Gina!« Quirin. Schon wieder. »Wir müssen reden, ich will doch nur …« Bevor er den Satz zu Ende brachte, schrie ich auch ihn an: »Wenn’s dir um deinen Bademantel geht, hol ihn dir doch, ihr habt das Haus ja besetzt! Gewaschen ist er auch. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!« In diesem Moment fiel mir ein, dass ich den kleinen Stoffhund in der Tasche mitgewaschen hatte. Hoffentlich war er eingegangen. Hinter mir Getuschel und Geraune, ein murmelnder Springbrunnen, über dem das Wort Bademantel flirrte wie sprühende Gischt.
Mit fliegenden Fingern tippte ich Christianes Nummer in mein Handy, mindestens zum zehnten Mal, seit Therese die Besetzung verkündet hatte. Sie solle kommen, sofort, wo immer sie sei, brüllte ich auf ihre Mailbox, gegen den ansteigenden Lärmpegel. Auch Nat Wildmoser und seine Jungs waren gekommen, hatten sich mit »We will rock you«, eingestimmt und waren jetzt mitten in einem schmetternden »We shall overcome«. Und Thereses Schlachtrufe wurden immer drängender. Sie hatte sich an dem Pfahl neben der Tür angekettet, saß auf einem Hocker, alle anderen ihr angebotenen Sitzmöbel verweigerte sie ebenso wie das von Franzi großzügig kredenzte Bier. Auf ihre empörte Ablehnung reagierte Franzi gelassen.
»Is eh besser so, was wuist a macha, wennsd brunzn musst.« Sie nahm das Bier wieder an sich.
»Warum? Nachttöpfe und Kloschüssln san doch gnua do«, mischte sich die Nail-Art-Metzgerin ein. »Des is dann auch a Event. A Event! Hosd mi? Wenns brunzn muass!« Sie schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel, und Therese stoppte das allgemeine Gelächter mit bedrohlichem Kettenrasseln.
»Reds ihr holt von Brunzn, i red von Politik! Ihr müssts mi scho wegtragn! Von allein geh i ned!«
Ich schickte Christiane zur Sicherheit noch eine SMS, steckte mein Telefon wieder ein. Jetzt musste ich Julia abpassen, ihr endlich klarmachen, was passiert war, egal, ob jemand mithörte. Gerade hatte sie einen Campinggaskocher aus Mirls Vorrat herbeigeschleppt und war nun damit beschäftigt, ein riesiges Bettlaken an einen Sperrmüllschrank zu hängen. Alle sahen gebannt zu, wie sie es sorgfältig an den Rändern festklebte und anfing, konzentriert Buchstabe für Buchstabe daraufzusprühen.
»Boykottiert«, las die Nail-Art-Metzgerin laut mit, »tote Tiere auf Semmeln! Ja, wie meinst nacha des? Wer däd scho a totes Tier auf a Semmel legn, auf a Semmel gehört a Wurscht oder a … Mei! Meinst etwa meinen Leberkas?«
Aber Julia ließ sich nicht stören. Auch nicht durch mich. Neben ihr stehend, sprudelte ich alles, was ich vorbereitet hatte, auf einmal heraus: »Sei mir nicht böse, Julia, bitte! Chris braucht ein Wunder, sie hat es mir an der Kuh gesagt, sonst verlieren wir unseren Job, und es tut mir furchtbar leid, dass du deine Modenschau nicht machen kannst. Wenn es dich tröstet, bei mir wird es auch nichts mit dem …« Ich würgte an dem Wort »Kuss« herum. Doch Julia hörte ohnehin nicht zu. Konzentriert auf ihre nächsten Buchstaben, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, murmelte sie, jetzt sei wirklich keine Zeit zum Reden, sprühte »Veni, Vidi, Veggie!« unter den Text, in riesigen Lettern. Aus dem Haus trat Lutz, im Leopardenhöschen, ein Geschirrhandtuch um die schweißnassen Schultern gelegt.
»Des könnts ned macha, des is a Geschäftsschädigung, is des!«, blaffte ihn die Metzgerin an, aber er beachtete sie nicht, schaute mit glühenden Augen in die Menge: Es werde, verkündete er, ein asiatisches Gemüsegericht geben, aber, er hob die Stimme, dies sei nur ein Gaumenkitzler, die Königin der Speisen warte drinnen, im Ofen.
Die Haustür hinter ihm stand offen. Weit offen. Unwillkürlich ging ich einen Schritt darauf zu. In den geheimen Büroräumen meines Hirns wurde hektisch geplant, wurden Chancen abgewogen und ein schnelles Risiko-Controlling durchgeführt.
Ich ging zwei weitere vorsichtige Schritte auf die Tür zu, im Schutz eines Kleiderständers, den Özcan gerade an uns
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