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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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fünfzig Grad! Falls ich bis dahin nicht bei ihr bin.«
    Hinter Lutz standen Julia, der gesamte Tauchkurs, die Nail-Art-Metzgerin und ein erstaunter Anderl. Nur Franzi schien mein Eindringen ins nach Paragraph 123 widerrechtlich besetzte Gebiet nicht weiter zu beeindrucken, sie beriet in aller Ruhe ihre Kundschaft. Die blondierte Frau, die ich im Edeka getroffen hatte, betrat mit einer strassbesetzten Rauten-Kittelschürze die improvisierte Garderobe, und Therese schrie ein weiteres Mal nach der Polizei, die mich aus dem Haus entfernen und sie gefälligst wegtragen möge. Ich tippte wieder Christianes Nummer in mein Handy, machte mich bereit, auf ihre Mailbox zu sprechen, diesmal in ruhigerem, bestimmtem, gleichwohl dringendem Ton. Als sie sich meldete, hätte ich beinahe aufgeschrien.
    »Chris? Wo bist du? Hier ist die Hölle los!«
    »Beim …«, eine winzige Pause, sie senkte ihre Stimme, »… Beerdigungsinstitut. Was ist?«
    »Ja, hast du denn deine Box nicht abgehört?«
    »Gina, was soll dieser Ton?« Eine Stimme murmelte etwas im Hintergrund, und Christiane legte einen Moment raschelnd die Hand auf das Mikrofon ihres Telefons.
    »Wann kannst du kommen? Das Haus ist besetzt.«
    »Besetzt? Und wo bist du?«
    »Äh … im Haus.«
    »Gina? Geht’s dir gut?«
    »Supi«, fauchte ich. Und erzählte ihr alles von Anfang an. Während ich redete und meine Chefin mir zuhörte, ausnahmsweise, ohne einen Kommentar von sich zu geben, ging ich in der heißen Küche auf und ab, zog mich schließlich zurück in den dunklen Flur, schlenderte ins große Zimmer, wo Picco zerzaust und verwirrt auf seinem Käfig saß.
    »Draußen rotten sie sich zusammen. Ich weiß nicht, wie lange ich die Stellung hier noch halten kann«, schloss ich, ganz besonnene Heldin, mit fester Stimme. Christiane schwieg einen Moment, beeindruckt, wie ich hoffte, und ich durchquerte das Zimmer, trat ans Fenster. Draußen der verwilderte Garten, die Zelte, ein Stück Uferstreifen. Auf dem Quirin mit seiner Freundin lustwandelte. Wie am ersten Abend, als er sie hoambracht hatte. Sie waren stehen geblieben. Quirin redete auf sie ein, gestikulierend, anscheinend hatte er etwas Dringendes mitzuteilen, und sie beugte sich vor, strich ihm liebevoll die Strähne aus der Stirn, die ihm im Eifer des Gefechts ins Gesicht gefallen war. Was hatte er wohl gesagt?
    Während ich gegen die Enge in meinem Hals anschluckte, ging in den nüchternen Büroräumen meines Gehirns jemand ganz ruhig und besonnen die verschiedenen Möglichkeiten durch:
    1. Ich kann nicht vergessen, was zwischen dir und Strobl war. Der Gedanke an dich und ihn bringt mich zur Raserei. (Mein Knuddelbär, beruhige dich doch.)
    2. Ich liebe dich bis zum Wahnsinn. Wenn du mich nicht heiratest, springe ich in den See. (Aber Mauseschwänzchen, du kannst doch schwimmen.)
    3. Leg dich hin! Zieh dich aus! Sofort! (Warte wenigstens noch, bis wir um die Ecke sind, mein Lümmelchen.)
    Nebeneinander schlenderten sie weiter, um die Biegung des Weges. Erst, als ich sie nicht mehr sah, fiel mir auf, dass Christiane immer noch schwieg.
    »Chris? Bist du noch da?«
    »Ich? Äh … ja. Natürlich. Ich muss hier nur gerade nebenbei … ein paar Formalitäten erledigen. Ich komme gleich.«
    »Bist du dir immer noch sicher, dass du an die Strobls … Ich meine, gibt es wirklich keine andere Möglichkeit?«
    Was tat ich da? Warum verteidigte ich sie auch noch, Therese, die lauthals nach der Polizei verlangte, Hartl, der erst Pfähle eingeschlagen hatte und seitdem spurlos verschwunden war, Quirin, der mit seiner Freundin mitten im Chaos dringende Liebesgespräche führte?
    »Gina, für moralische Erörterungen hab ich jetzt wirklich … äh … keine Zeit.«
    Sie legte auf. Sie wollte mich allen Ernstes allein lassen mit der Verteidigung ihres … Ich stutzte. Etwas bewegte sich im Baum, gegenüber dem Balkon. Lutz. Sein nackter Oberkörper schimmerte zwischen den Blättern hervor, sein Zöpfchen baumelte wild. Mit einer Hand hielt er sich im Geäst, mit der anderen schwang er etwas, schon sauste es durch die Luft: ein Lasso. Sofort stürzte ich nach oben, ins Balkonzimmer. Das Fenster war nur gekippt. Von unten hörte ich Julias Stimme: »Schatz, du kommst jetzt sofort da runter! Das ist kein Spaß mehr!«
    Wieso kam sie dauernd auf die Idee, irgendwer hätte Spaß an dieser ganzen Angelegenheit? Es war blutiger Ernst. Für mich. Und für Lutz, dessen Schlinge sich um den geschlossenen Sonnenschirm auf dem Balkon

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