Eiertanz: Roman (German Edition)
Aussprache war leicht verschwommen. »Schauns mi ned so an, Herr Bürgermeister, i woaß scho, dass die Feuerwehr dafür ned zuständig is. Aber sie hot mi erpresst, und des is a ned recht.«
Er nickte zu Therese hinüber, die seine Anschuldigung mit einem Wortschwall beantwortete, aus dem ich nur »Negligéparty« und »die Wahrheit, aber die ganze Wahrheit, gä, Anderl« heraushörte. Ein Mann mit Block und Bleistift schrieb mit. Um sich gleich darauf mir zuzuwenden: »Und Sie san also rechtswidrig ins Haus eingedrungen?«
Ich antwortete freundlich, aber bestimmt, dass die nach Paragraph 123 rechtswidrigen Eindringlinge diejenigen seien, die sich außen befunden hätten, solange ich drinnen gewesen sei, und ihrerseits versucht hätten, mittels eines Seils in das von mir vorübergehend wieder eroberte Objekt einzudringen. Er kratzte sich am Kopf, wandte sich mit einem »Jo wos jetza, eini oder aussi?« von mir ab und Franzi zu, die sich anbot, ihm zu berichten, was wirklich vorgefallen sei, und ihm außerdem nahelegte, bei dieser Gelegenheit gleich ein Bild von ihr, der amtierenden Bierkönigin, zu schießen. Sie trage übrigens ein Modell aus Özcans neuester Kollektion, der letzte Schrei am Modehimmel und …
»Der hot nur a Gewerbeschein für Haxn!« Therese schäumte und riss an ihrer Kette. »Wegtragn müssts mi! Die Polizei is a ned mehr des, was sie war! Des gehört in die Zeitung!« Der Reporter kratzte sich erneut am Kopf und sah aus, als bereue er, nicht zu einem der harmloseren Events der Nachbarorte gegangen zu sein.
Aber die Einwohner der Nachbarorte hatten sich längst auf dem Parkplatz versammelt. Sofas, Sessel, Stehlampen und Tischchen vom Sperrmüll waren zu Sitzgruppen angeordnet worden, es herrschte lockere Café-Atmosphäre, und immer mehr Gäste ließen sich von hilfsbereiten Pantolettinnen Cappuccino aus Thereses Café bringen, sahen zu, wie der Reporter knipste, Franzi sich dekorativ in Szene setzte, Therese sich bemühte, noch dekorativer an ihrer Kette zu zerren.
»Frau Zuhlau? Alles okay bei Ihnen? Hat Sie jemand belästigt?« Alexander Strobl legte freundschaftlich einen Arm um meine Schulter. Ich musste schrecklich einsam sein, denn beinahe war ich ihm dankbar.
»Glauben Sie mir, Frau Zuhlau«, er sah herunter auf meine Schuhe, Sandalen mit Korksohle, »ich habe versucht, zu verhindern, dass …«
Ein gewaltiger, blecherner Trommelwirbel unterbrach ihn. Mit glutrotem Gesicht, brennendem Oberkörper, baumelndem Zöpfchen und entrücktem Blick trommelte Lutz mit Löffeln auf eine umgedrehte Blechwanne ein, auf die er gleich darauf stieg. Ein Koch-Guru in Leopardenhöschen. Neben ihm stand Julia, einen Römertopf in ihren von Küchenhandschuhen geschützten Händen. Applaus brandete auf. Der Reporter riss die Kamera hoch und feuerte eine Serie Blitze ab.
»Das Gemüse, das alle Probleme löst«, rief Lutz, »hat mir das Universum heute auf den Küchentisch gelegt: die Karotte.« Applaus. Höhnisches Gelächter von den Haxnzweiflern. Einen Moment überlegte ich, ob ich mich melden und ihm sagen sollte, dass nicht das Universum, sondern ich ihm die Karotte auf den Tisch gelegt hatte, auf der Suche nach Käse für meinen Toast. Aber damit würde ich mich bestimmt nicht beliebter machen.
»Die Karotte ist die perfekte Lösung! Sie wurde schon von den Römern angebaut, ist reich an Carotin, Vitamin C und B1. Ich habe diese Karotte zuerst mit Ingwer und Honig eingerieben, übrigens natürliche Aphrodisiaka, schon angewandt bei den alten Griechen.« Lutz holte tief Luft. Erneutes Gelächter der Haxnzweifler, das von den Haxnunterstützern rasch eingedämmt wurde.
»Dann habe ich ihre längliche Form mit Selleriestengeln unterstützt, das Ganze mit Sojastreifen umwickelt, kein Weizeneiweiß, nur Soja, zum dicken Ende mehr, um die barbarische Form einer echten Haxe nachzuahmen. Das Ganze geschmort in einer Sauce mit Okraschoten, mildem Curry, Vanille und Zimt, dazu Fenchel, ein weibliches Yin-Gemüse, es gleicht die Yang-Kräfte der Karotte aus. Im Tandoori-Ofen würde sich der Geschmack noch besser entfalten, aber auch in einem normalen Backofen …« Hier überwältigte ihn anscheinend die Erinnerung an die Trennung, ein Schluchzer entfuhr ihm, aber er riss sich zusammen, gab Julia das Zeichen, den Deckel zu öffnen. Aus dem Römertopf stieg eine Dampfwolke auf.
»Hier ist sie!« Lutz’ Stimme kippte, er fing sich wieder, mannhaft. »Die erste vegane und glutenfreie,
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