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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Vielleicht, weil ich mich an Quirins Blicke erinnerte.
    Vor längerer Zeit hatte ich angefangen, eine Männerblick-Excel-Tabelle anzulegen – mit diesen Kategorien: Busenfetischist. Hinternfetischist. Bein- und Schuhtyp. Ganzkörperscanner. Tief-in-die-Augen-Schauer. Und das grobe Gegenteil: der Torsofixierte. Dem das Terrain zwischen Hals und Scham genug war. Zu welchem Typ Quirin gehörte, hatte ich nicht feststellen können, er hatte mir kurz in den Ausschnitt geschaut, gleich darauf in die Augen, bei unseren Gängen durch den Laden vielleicht auch auf Hintern und Beine, zumindest hatte ich mir eingebildet, seine Blicke zu spüren. Vorsichtig packte ich die Verträge in meine Laptoptasche. Ich musste sie wegschicken, so schnell wie möglich. Danach auf irgendeine Weise den Bus wiederbekommen, meine Einkäufe erledigen. Die nächsten Planquadrate absuchen.
    Ich ging hinüber ins Café, spülte rasch mein benutztes Geschirr und füllte frische Bohnen in die Kaffeemaschine für einen Espresso to go. Von der offenen Tür her hörte ich Stimmen.
    »Üwe, gloobste echt, mir sinn hier rischtsch?«
    »Nü gügge, das ist doch zünftsch hier.«
    »Und wo sind die Gühe?«
    »Fröllein!«
    »Gibbts hier een Goffee? Fröllein?«
    »Und Guuchen?«
    Sie waren schon im Raum, fröhlich sächselnde, kompakte Frauen in Caprihosen und ärmellosen Tops, Männer in Freizeithemden und Shorts. Sie schauten sich um, setzten sich an die Tische und sahen mich erwartungsvoll an. Christiane hatte mir eingeschärft, in kniffligen Situationen nicht auf Hilfe oder Anweisungen zu warten, sondern sofort zu handeln. Was ich als Älteste von drei Geschwistern ohnehin gewohnt war. Ich schnappte mir den Block, der neben der Kaffeemaschine lag, überredete mein Gesicht zu einem Lächeln und trat an den ersten Tisch. In meiner Studentenzeit hatte ich oft gekellnert, in einem immer überfüllten Szenecafé, dagegen waren zwei Tische voller Sachsen ein Kinderspiel. Ich nahm die Bestellungen auf, teilte den Apfelkuchen in kleine Stücke, suchte vergeblich nach einer Preisliste. Was kostete in Köln ein Stück Apfelkuchen? In meinem Lieblingscafé in der Köhlerstraße? Zwei fünfzig? Mehr? Und ein Cappuccino? Oder Latte macchiato? Espresso? Die Sachsen verlangten Gabbudschinö, nichts Komplizierteres, und ich ließ sie dafür zwei achtzig bezahlen, preisgünstig, wie in meinem Lieblingscafé. In der Küche fand ich eine große Geldbörse, anscheinend von der flüchtenden Susn abgelegt, mit einem Seitenfach fürs Trinkgeld. Ich war stolz, dass ich noch so viel Übung hatte. Bis Therese in der Tür stand. Mit wogendem Busen, den Cowboyhut in den Nacken geschoben. In bestem Hochdeutsch begrüßte sie die Sachsen, sah mir zu, wie ich kassierte. Und zog mich anschließend beiseite. Ob ich ihr sagen könne, warum himmiherrgottsakramentmileckstamoarsch a Haferl Kaffee zwoaachtzge kostete und der Apfeldatschi dreizwonzg? Ich hätte ihr erklären können, dass ich diese Preise nach schneller Marktanalyse höchst angemessen fand, immerhin war der Kuchen selbst gebacken. Aber bevor ich auch nur den Mund aufbekam, waren die Sachsen schon aufgesprungen. Was jetzt mit den Kühen sei, deswegen seien sie schließlich gekommen. Ich legte die Börse auf den Tresen. Nicht, ohne vorher mein Trinkgeld herauszuklauben. In der Küche stellte ich das Tablett mit den leeren Tassen ab und probierte ein Stück von dem überteuerten Apfeldatschi. Er schmeckte traumhaft, mindestens nach dreizwonzg.
    »Gina?« Thereses Stimme, vom Gastraum her. Ich machte den entscheidenden Fehler, nicht schnellstens Notebook und Tasche an mich zu reißen und einfach durch die Tür nach draußen zu entschwinden.
    »Kommst rasch amoi?«
    Bevor ich mich rühren konnte, stand Therese schon in der Küche, schwer atmend, mit gerötetem Gesicht.
    »Es ist nur für a hoibe Stund. Oder, mei, a Dreiviertelstund. Ich hab noch nicht genug Küh beisammen. Ich muss … Egal, geh mit ihnen am besten zum Aussichtsturm, immer dem Tannenbäumchen nach.«
    »Äh … Tannenbäumchen? Aussichtsturm?«
    »Die Markierung, für den Rundweg. Einfach am Parkplatz gleich rechts durch den Wald.«
    Sie sprach glasklares Hochdeutsch. Und sah mich aus aufgerissenen blauen Augen an.
    »Gina, das ist ein Notfall.«
    Das Gleiche hatte Christiane auch gesagt. Und Julia. Überhaupt kam es mir so vor, als ob überdurchschnittlich viele Leute in meiner Gegenwart von Notfällen sprachen. Schon führte sie mich am Ellenbogen zurück

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