Eiertanz: Roman (German Edition)
hatte es Picco schon geschafft, sich aus dem Käfig zu befreien und war davongeflattert. Nicht, ohne auf dem frisch geputzten Boden einen grünschillernden Beweis dafür zu hinterlassen, dass trotz der Hungerkur seine Verdauung ausgezeichnet funktionierte.
Der Termin mit Alexander Strobl von der Fun and Leisure Freizeitpark GmbH erforderte generalstabsmäßige Vorbereitung. Nicht nur, was das Haus betraf.
Perfekt genügt nicht. Du musst so aussehen, dass die Männer Angst bekommen und keine Frau den geringsten Schwachpunkt findet. Ich konnte Christianes Vortrag – einen der ersten Vorträge, den sie mir kurz nach meiner Einstellung gehalten hatte und den sie bei Bedarf wiederholte – immer noch auswendig: »Schorschelchen, die Branche scheint auf den ersten Blick voller netter Menschen zu sein, aber das täuscht. Hinter der Fassade tobt der Krieg. Leider in der vordersten Linie ein Zickenkrieg. Das sage ich dir als Feministin. Bevor du an die Spitze der wichtigen Sendungen und Festivals vordringst – da findest du natürlich nur Männer, daran hat sich in zwanzig Jahren nichts geändert –, musst du an den vielen, vielen Frauen vorbei, die den Oberbossen Vorschläge machen. Zuerst gehst du zum Friseur. Zu meinem.«
Schon Julia hatten meine Haarfärbeexperimente mit verschiedenen Rottönen nicht gefallen. Ich hatte es erst mit Mahagoni probiert, es sah im Selbstversuch aber eher nach räudigem Eichhörnchen aus. Darauf hatte ich auf Kirsche umgefärbt, auf Pflaume, auf Johannisbeere.
»Nennen wir es einfach Beerentopf«, hatte ich vorgeschlagen, als Julia mich entsetzt ansah. Wir hatten uns auf einen möglichst kurzen Schnitt geeinigt und auf Abwarten, bis meine natürliche Farbe wieder zum Vorschein käme, mausbraun, das Braun der unspektakulärsten Maus unter allen Mäusen. In diesem Zwischenstadium zwischen Beere und Maus hatte ich mich bei Christiane vorgestellt. Und den Job bekommen. Christiane fand, ich hätte eine lustige Frisur. Die ich allerdings sofort ändern müsse, bevor sie mich auf die Öffentlichkeit losließ.
Die ganze Zeit, während Christianes Friseur mir den Umhang umlegte, eine halb maus-, halb beerenfarbige Strähne fragend hochhielt, bebten seine Nasenflügel. Ob vor Missbilligung oder vor Begeisterung über das neue Betätigungsfeld, hätte ich nicht zu sagen vermocht. Aber er wirkte Wunder. Er zauberte mir einen kastanienbraunen Schopf mit hellen Strähnen, den ich mir morgens zurechtwuscheln und abends in Form föhnen konnte, lobte mit zitternden Nasenflügeln mein dickes, robustes Haar, das alle Torturen bisher gut überstanden hatte, und bat mich, in vier Wochen wiederzukommen. Seine erste Rechnung übernahm Christiane. Die nächsten bezahlte ich selbst, von meinem Gehalt, das dreimal so hoch war wie jeder Verdienst meiner bisherigen Studentenjobs.
Für die Außentermine steckte Christiane mich in hochgeschlossene Blusen, dazu in Röcke und Pumps von Jil Sander, brachte mir bei, was sie unter einem Business-Make-up verstand: Wimpern in Kastanienbraun, passend zur Haarfarbe, bronzefarbener Lidschatten, Lidstrich, wenig Rouge, Lipgloss in Rosenholz.
Auch heute hielt ich mich an ihre Vorgaben, schminkte mich dezent, wählte einen engen, silbergrauen Rock, dazu eine Bluse, einen leichten Blazer und die hochhackigen Echsenleder-Sandalen. In denen ich, zugegeben, nicht allzu gut lief. Mein professionellstes Business-Lächeln auf den Rosenholzlippen, gab ich mir Mühe, Alexander Strobl entgegenzuschreiten, ohne zu eiern, umzuknicken oder ihm womöglich in die Arme zu sinken.
Ich hatte geschäftlich ganz gerne mit Männern zu tun. Vielleicht, weil Christiane mich so eindringlich vor der Gnadenlosigkeit der Frauen gewarnt hatte. Oder weil Männer so einfach zu durchschauen waren. Eine Bedienungsanleitung für Männer, hatte ich einmal zu Julia gesagt, bräuchte nicht mehr als eine Seite. Diese Seite wäre allerdings auf Hochglanzpapier gedruckt und in tausend Sprachen übersetzt. Dafür würden die Männer schon sorgen. Auch dafür, dass die Tabelle der unterschiedlichen Blick-Typen in Gold gefasst wäre. Obwohl, darüber dachte ich nach, während ich Alexander Strobl entgegenschritt, eine farbliche Abgrenzung der einzelnen Typen benutzerinnenfreundlicher wäre: Der Augenschauer in romantischem Blau – oder gar verklärtem Rosa? –, der Busenfetischist in warnendem Gelb, der Ganzkörperscanner in Rot, der Schuhtyp in … »Guten Tag!« Alexander Strobl schüttelte mir die Hand,
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