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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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vielleicht auch ebenso gierig. Ich entzog ihm meinen Arm. Und in diesem Moment sah ich sie: Quirin und Floh, neben ihnen ein etwas älterer Mann, um die fünfzig vielleicht, Typ Bergführer aus Heimatfilmen. Beide Männer hatten ihre Sonnenbrillen in die Stirn geschoben und trugen Surfbretter unter dem Arm. Der Bergführertyp musterte uns mit zusammengepressten Lippen. Quirin schaute auf die gleiche grimmige Art, und sogar Floh wirkte angespannt. Wie ich feststellte – oh mein Gott, konnte das wahr sein? – aus anderen Gründen als sein Herrchen. Er schickte ein Knurren hoch in den Baum, in dem ein grauer, zerzauster Vogel saß.
    »Grüß Gott, die Herren«, sagte Alexander Strobl. »Mein zukünftiger Nachbar. Mit Sohn. Haben die Herrschaften sich Ihnen schon vorgestellt, Frau Zuhlau? Leonhard Engler, Chef unserer Tauch- und Surfschule, Quirin, Freizeitsurflehrer, übrigens mein ehemaliger Klassenkamerad. Soweit ich weiß, nur den Sommer über hier, wie ich auch, nicht wahr, Quirin?«
    Quirin nickte knapp, und sein Vater deutete eine Verbeugung an. Während Floh weiter knurrte. Und ich versuchte, den Papagei im Baum zu hypnotisieren: Flieg, dir steht die Welt offen, Bruder, zur Sonne, zur Freiheit, die Gedanken sind frei, über den Wolken … Unsinnige Fetzen von Liedertexten flatterten mir durch den Kopf, während ich in Piccos hellgrüne Augen starrte. Aber der starrsinnige Vogel dachte nicht daran zu fliegen. Er wartete, bis Quirin und sein Vater sich entfernt hatten, Richtung See, wartete, bis auch Alexander Strobl sich verabschiedet hatte, sichtlich ungern, und unter dem Baum vorbeiging. Und dann tat er, was er am liebsten tat, wenn er etwas Glänzendes, einladend Blankpoliertes unter sich sah.

    Bevor ich wieder an die Arbeit ging, setzte ich mich in den Schaukelstuhl vor dem leergeräumten Kamin und sah meine dringendsten Büromails durch. Auch der UMTS-Anschluss meines Internetsticks lahmte hier, und während ich wartete, dass ein Anhang geladen wurde, las ich noch einmal Mirkos letzte SMS. Neben unserer regulären Kommunikation, Termine, Fitnessstudios und Joghurt betreffend, simsten wir inzwischen regelmäßig, es war wie heimliches Liebesgeflüster in einer Geschäftsbesprechung. Als Antwort auf mein Dirndlbild hatte er mir auch ein Foto geschickt. Er musste es selbst aufgenommen haben, in irgendeiner Garderobe, er saß vor dem Schminktisch, in einem knappen Shirt, unter dem sich jeder Muskel abzeichnete, seine Haare waren verwuschelt, er sah überraschend privat aus, süß privat. Er lächelte ein ungewohnt schüchternes Lächeln, und mir blieb fast die Luft weg, als ich sah, was hinter ihm auf dem Schminktisch stand: die weiße Blume, die ich ihm heimlich in die Garderobe hatte schicken lassen. Für einen seligen Moment vergaß ich, dass ich ein vernünftiges Reh war, und teilte ihm begeistert mit, dieses Bild sei ein Traum. Zehn Sekunden später der Hupton:
wie wär’s, wir treffen uns heute nacht im traum. bei dir oder bei mir?
    Das Treffen hatte bei mir stattgefunden. Unter den denkbar romantischsten, beinahe filmreifen Umständen. Auch wenn ich wegen Piccos Geschrei noch im ersten Akt aufgewacht war. Aus Angst, mich lächerlich zu machen, hatte ich meinen Traum mit keinem Wort erwähnt, und auch er war nicht mehr darauf eingegangen. Kam es mir nur so vor, oder war der Ton seiner letzten Botschaften kühler? Ich las noch einmal die SMS von heute Morgen:
was treibt chris eigentlich so? love, mirko
    Woher sollte ich das wissen, hier in meiner Einsamkeit? Und warum wusste er es nicht? Aber ich musste sie sowieso anrufen, wegen Strobl. Ich wählte ihre Handynummer. Sie meldete sich nach dem ersten Klingeln.
    »Gina? Was gibt’s? Irgendwelche Fortschritte?«
    Sie klang nicht gerade gut gelaunt. So sachlich wie möglich berichtete ich von meinem Termin mit Alexander Strobl, wobei ich die Episode mit dem Vogel, seiner Glatze, dem Tempotaschentuch und meinen Beteuerungen, ich wüsste auch nicht, wie ein Papagei in diesen Garten käme, außer Acht ließ. Immerhin war Picco danach davongeflogen, und alles hätte beinahe ein gutes Ende genommen. Wenn Quirin nicht gewesen wäre.
    Ich räusperte mich. Ob sie wüsste, fragte ich, dass sie das Haus abreißen wollten?
    »Was geht uns das an? Sie können machen, was sie wollen, solange sie nur kaufen. Aber dazu muss erst mal das Testament da sein. Was trödelst du nur so herum, Gina.«
    Ich konnte ihre hochgezogene Augenbraue vor mir sehen, erklärte ihr

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