Eiertanz: Roman (German Edition)
ungefragt und etwas zu fest. Vielleicht hatte er in einem Seminar gelernt, dass eine Führungskraft einen festen Händedruck braucht. Obwohl er nicht viel älter als dreißig sein konnte, war er kahl, um seine blankpolierte Glatze herum hatte er sein Resthaar abrasiert. Trotz der Hitze trug er einen Anzug, taubenblau. Ich drosselte mein Lächeln auf ein kühles Minimum und nickte ihm gemessen zu.
»Georgina Fernande Zuhlau.« Wie so oft bei geschäftlichen Terminen war ich meiner Mutter dankbar, dass sie ihren Kindern solch hochtrabende Namen verpasst hatte.
»Alexander Strobl. Alex. Sind Sie in der … äh … Testamentsangelegenheit schon weitergekommen?« Sein Blick hielt sich nicht lang mit meinem Gesicht auf, schweifte über meine Bluse, von dort recht schnell zu meinen Beinen, verweilte bei den Echsenledernen. Ausgezeichnet. Mit Schuhtypen zu verhandeln war keine allzu schwere Aufgabe. Ich lächelte verständnisvoll. Allerdings nur für eine Sekunde. Gleich darauf setzte ich meinen Geschäftsblick auf, erklärte ihm, es sei alles so gut wie geregelt, Christiane werde sich direkt mit ihm in Verbindung setzen. Er nickte. Und machte einen Schritt an mir vorbei, trat in den Hausflur.
Den ganzen Vormittag hatte ich mir Strategien ausgedacht, wie ich es vermeiden könnte, ihn ins Haus zu lassen. Oder es zumindest auf einen flüchtigen Rundgang durchs Erdgeschoss beschränken könnte. Ich hatte alle Nippesfiguren, die Voodoomaskensammlung vom Kaminsims und einen Haufen Kruzifixe in die Müllsäcke gestopft, die ich endlich besorgt hatte, nachdem der Bus mit Hilfe eines brummigen Taxifahrers, eines Kanisters und eines kräftigen Trinkgelds wieder fahrtüchtig war. Die Säcke hatte ich vorübergehend im Bus abgestellt. Es war wohl besser, nichts wegzuwerfen, bis das Testament gefunden war, all diese Schätze gehörten schließlich zum Erbe. Das Zimmer sah ohne diese Herrlichkeiten zweifellos besser aus, beinahe konnte man es wohnlich nennen. Am Vortag war ich noch im Baumarkt gewesen, hatte durchsichtige Plastikplanen gekauft und sie anstelle des Zeitungspapiers ausgelegt. Die Fenster hatte ich weit geöffnet, wie auch alle anderen Fenster im Haus. Die Räume mit allem, was in ihnen verstaubte, brauchten dringend Durchzug. Falls dieser Durchzug noch einen Nebeneffekt hatte, Papageien betreffend, konnte ich nichts dafür.
Der Seeblick sei wirklich bezaubernd, flötete ich, konzentrierte mich dabei darauf, möglichst graziöse Echsenlederschritte zu machen, und Alexander Strobl senkte folgsam seinen Blick noch etwas tiefer und schluckte.
»Äh, ja, natürlich, Georgina. Kann ich Ihren Balkon einmal sehen?«
»Frau Zuhlau.« Entrüstet blieb ich stehen, verschränkte die Arme vor der Brust. Nur um ihn auf die Treppe zustreben zu sehen. Zu spät ging mir auf, welchen Balkon er gemeint hatte.
Ich hechtete hinterher, mit einem für Echsenlederne zu gewagten Sprung. Und bereute im gleichen Moment, dass ich den Flur aufgeräumt hatte. Denn der einzige verbleibende Halt in greifbarer Nähe war Alexander Strobls Schulter.
Um meine Verlegenheit zu verbergen, plauderte ich: Wir wüssten ja nicht, was er mit dem Haus vorhabe, die Bausubstanz scheine jedenfalls in hervorragendem Zustand …
»Ich will es abreißen. Geht’s wieder?« Er hatte die Gelegenheit genutzt und den Arm um meine Taille gelegt. Ich sah seinen glänzenden, kahlen Schädel aus nächster Nähe.
»Wissen Sie, wo die Grundstücksgrenzen genau verlaufen, Georgina?«
»Halt die Goschn.«
Alexander Strobl ließ mich los, schaute sich um, mit wildem Blick, sah dann wieder mich an, als wollte er mich des Bauchredens bezichtigen. Picco schien irgendwo im großen Zimmer herumzuflattern, und ich schickte einen stummen Wunsch ans Universum, er möge seinen eigenen Rat beherzigen und die Goschn halten. Dann erst ging mir auf, dass Strobl nach den Grundstücksgrenzen gefragt hatte. Ich griff nach seinem Ellenbogen, lotste ihn vorsichtig Richtung Haustür.
»Sehen wir uns das Grundstück doch einmal an.« Sobald wir draußen waren, schritt ich zügig aus, um das Haus herum nach hinten, wo der verwilderte, zaunlose Garten in eine Wiese überging. Kein Boden für Highheels. Was Strobl sofort begriff und nutzte. Ganz Gentleman, bot er mir den Arm. Unter seinem betont männlichen Deo, das vielleicht zu Bruce gepasst hätte, roch er leicht nach Schweiß. Er betrachtete das Grundstück mit huschenden Blicken, ebenso verstohlen, wie er meine Schuhe taxierte,
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