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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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einfach nicht verstanden.
    »Äh, entschuldigens«, ich passte mich höflich an die Sprachmelodie an, ließ alle verwirrenden Zusatzinformationen weg und betonte das Subjekt des Satzes und Objekt meines Begehrens laut und deutlich: »Das nächste Postamt? « Ein Funke des Verstehens glomm in seinen Augen. Er reagierte. Mit einem Kinnrucken. Richtung Edeka. Es konnte durchaus sein. Auch in dem Stadtviertel, in dem unser Büro lag, war das Postamt geschlossen und durch einen Schalter am Asia-Großmarkt ersetzt worden. Seitdem bediente kein verschlafener Postbeamter mehr, sondern ein flinker, freundlicher Mann mit schönen Mandelaugen, der wirklich – ich hatte es immer für ein Klischee gehalten – Bliefmalken fül einsfünfundvielzig verkaufte. Neben Bambusschösslingen und Tofu. Bis abends um zehn.
    Unser Gespräch war auf jeden Fall in Gang gekommen. Auf seinen Besen gestützt, taxierte der Mann mich in aller Ausführlichkeit von oben bis unten, schien auf die nächste Frage zu warten.
    »Sie meinen, die Post ist im Edeka? «
    Jetzt erlebte ich einen echten Durchbruch. Denn er sprach. »Freili.«
    Was mich ermutigte, höflich nach der Einhaltung der Öffnungszeiten zu fragen.
    Erneut betrachtete er mich, mit diesem intensiven, nachdenklichen Blick. Eindeutig gehörte er zur Kategorie Ganzkörperscanner. Vielleicht gar zu den Philosophen unter den Ganzkörperscannern.
    Unwillkürlich folgte ich seinem Blick, schaute an mir herunter. Ich trug immer noch das Dirndl. Vielleicht der Grund, dass er mich auf einmal wie seinesgleichen behandelte und etwas äußerte, das wie »Mei, d’ Franzi hot hoit vuizdua, seit s’ Königin is« klang. Worauf er wieder anfing, zu kehren. Und mich in tiefer Ratlosigkeit zurückließ. Was sollte ich mit dieser Auskunft anfangen? War vuizdua vielleicht eine seltene, nur hier vorkommende Krankheit? Die ausschließlich Königinnen in Edekamärkten befiel? Von einer Königin hatte er geredet, dessen war ich mir sicher. Einen Moment dachte ich an Bienen, dann an Eingeborenenstämme, die ihre Riten behalten hatten, von Forschern noch ungestört. Langsam ging ich weiter, in einem Bogen zu Mirls Haus zurück, vorbei am Döner 24, der ebenfalls geschlossen war. Auf dem Wasser segelten Windsurfer Richtung Ufer, aneinandergereiht wie Perlen an einer Schnur, über ihnen ein Wattewölkchenhimmel, blauweiß wie die flatternde Fahne am Feuerwehrhaus. Ich setzte mich auf eine Bank am Ufer und zog das Telefon aus der Tasche. Ich musste mich nicht nur um die Verträge, sondern auch endlich um die Bergung des Lachschmiede -Busses kümmern. Aber vorher öffnete ich schnell noch einmal den Posteingang. Es war kein Traum:
i am longing for your secrets, do you know what i mean?
    Sofort überlief mich eine Gänsehaut. Ich öffnete das Menü, wählte: MMS-Nachricht erstellen. Nachdem ich mehrere Anfänge (lieber mirko, ich sehne mich auch so sehr nach dir, seit wann weißt du das von uns, ich denke nur an dich) gelöscht hatte, tippte ich: »top secret«, klickte alle Dirndlbilder durch, entschied mich für eins, auf dem ich lachte, und hängte das Bild an.
    Die Surfer hatten das Ufer fast erreicht, ich hörte sie rufen, hörte Gelächter und Geplätscher, als einige ins Wasser fielen. Alle steckten in kurzärmeligen Neoprenanzügen. Nur Quirin trug knielange Boxershorts. Sonst nichts.
    Ich schickte die MMS ab und wählte die Nummer der Taxizentrale.

4.
    M ein grauer Mitbewohner mit den hellgrünen Augen hieß Picco. So stellte er sich selbst jedenfalls immer wieder vor: »Picco hot oan fahrn lassn, hehehe«! Er schien es darauf anzulegen, mich aus der Fassung zu bringen, betrachtete seinen Käfig als Zumutung, führte tagsüber endlose Selbstgespräche und weckte mich nachts aus meinen Träumen von Mirko durch seine langgezogenen Sehnsuchtsschreie nach dem Urwald. Wohin ich ihn liebend gern verbannt hätte.
    In Büchern hatte ich gelesen, dass Papageien krächzten, wenn sie sprachen. Falsch! Wenn dieser Papagei nicht höhnisch pfiff oder schrie, sprach er mit einer Automatenstimme, künstlich, hoch, kein bisschen krächzend. Und bayrisch. Wenn er in Stimmung war, redete er pausenlos. Bei meinen Inspektionen der oberen Stockwerke begleitete er mich, flatterte zielsicher durch die schmalen Gänge, zwischen Stapeln von Kästen, ausrangierten Fernsehern, Sammlungen von Kuhglocken in allen Größen und verstaubten Globen. Ab und zu ließ er sich auf einem aufquellenden, zuoberst liegenden Pappkarton nieder,

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