Eiertanz: Roman (German Edition)
herumschnippelte, und es sei Kult. Sogar aus München kämen Gäste.
»Teifi no amoi, so a ausgschamte Hex, pratzln wills uns, die Henna, die …«
»Burgl! Oh, entschuldigens.‹« Die Chefin lockerte die Haarspange, die sie in meine Kopfhaut gerammt hatte.
»Was d’ Mirl mit dera Person ghabt hat … vom Teifi is die, so a Hur, de ghört amoi gscheit hergfotzt, wannsd mi frogst. Gä, ihr werds eich olle no wundern …« Ein knirschendes Geräusch der Trockenhaube unterbrach die alte Burgl, und die Chefin ließ einen Moment von mir ab, schwenkte die Haube zur Seite. Burgls Haare waren in einem hellen Braunton gefärbt und so dünn, dass trotz der Locken die Kopfhaut durchschimmerte. Während die Chefin ihr einen Lockenwickler nach dem anderen aus den Haaren zog, murmelte die alte Frau vor sich hin. Was sie sagte, war nicht zu verstehen. Immer wieder ging es um eine Maria und darum, dass wir uns wundern würden am Tag der Wiederkehr oder Wiederauferstehung, aufpassen müssten wir alle, wir Sünder, schamma sollts eich, Teifi no amoi, ein gewisser Hartl besonders.
»Die kommn a alle in d’ Hölle, wanns ned aufpassn duan«, diesen Satz wiederholte sie mehrmals, mit zitternd erhobenem Zeigefinger. Ich sah den Massigen fragend an. Er zwinkerte mir zu, tippte sich an die Stirn.
»Sie meint den Tauchlehrer, glaub ich. Was der verbrochen haben soll, kann ich dir ned sagen. Der ist in Ordnung. Und seine Schwester auch. Auch wenn manche ihre Ideen mit dem Tourismus a bissl spinnert finden. A Kuh-Adoption, mei.«
»Is scho a vareggdes Huhn, die Therese.« Die Chefin war wieder hinter mich getreten, nahm die erste Strähne in Angriff, schnippelte einen Zentimeter ab. Ängstlich und hochkonzentriert verfolgte ich jede ihrer Bewegungen, so konzentriert, dass ich die alte Burgl erst bemerkte, als sie neben mir stand, ihr Gesicht dicht vor meinem. Tiefe Furchen, Rinnen, eine rissige Landschaft.
»Madl, du woaßt, wos recht is, gä? Du bringst des in Ordnung, gä?«
Das Mädchen bekam sie am Ellenbogen zu fassen, wollte sie wegführen, aber die alte Burgl wehrte sich, schlug mit dürren Ärmchen um sich. Und erwischte die Chefin.
»Kruzifixsakrament!«
Ich hörte die schnappende Bewegung der Schere, bevor ich das Haarbüschel sah, das zu Boden fiel.
Ein großes Büschel glänzend rotbrauner Haare.
Meine Haare.
5.
I m Rückspiegel des Busses schaute ich mir die Frisur noch einmal genau an. Und redete mir ein, dass es nur so schlimm aussah, weil die Chefin versucht hatte, eine Innenrolle zu föhnen. Obwohl die Haare dafür viel zu kurz waren. Und ich Innenrollen sowieso hasste. Aber am Ende hatte ich apathisch in meinem Stuhl gesessen, unfähig, irgendetwas zu fordern oder zu verhindern, ausgeliefert der Friseurin, die immer wieder: »Jo so was, so an Gerempel, die oide Schäsn, die, aber des kriag ma scho, des kriag ma«, gemurmelt hatte. Sie schnippelte resolut, und je eifriger sie schnippelte, desto gesprächiger wurde sie. Das Nail-Art-Geschäft, sagte sie, liefe gerade nicht allzu gut, schnipp schnipp schnipp, des kriag ma scho, die Konkurrenz aus der Kreisstadt sei zu groß, dafür sei ihr die Metzgerei- und besonders die Friseur-Kundschaft seit Jahren treu. Und dies, obwohl sie nie eine Reklame im Schaufenster gehabt habe. Friseursalon dürfe sie sich nicht nennen, und im Gegensatz zu manch anderen hier halte sie sich an die Regeln. Schnipp schnipp schnipp. So a Kurzhaar-Bob steht Eahna aber a guad, gä, schaut des ned bärig aus?
Bärig war genau das richtige Wort. Ich hatte es irgendwie geschafft, zu lächeln und meine Zwölffuchzig zu bezahlen. Jetzt, im Auto, versuchte ich vergeblich, mit den Fingern die verkleisterte Innenrolle zu lösen, gab nach einer Weile auf und rief Julia an.
»Agentur Lachschmiede, Julia Köhler.« Ihre engelhafte Stimme. »Was kann ich für Sie tun?«
Ich brauchte die gesamte Rückfahrt, um ihr alles zu erzählen, und Julia hörte zu, wie sie immer zuhörte, atemlos und staunend, niemals ließ sie sich zu einem mechanischen »Ja« oder zu abwesenden Mmh-mmh-Lauten hinreißen. Männer liebten Julia nicht nur wegen ihrer Elfenhaftigkeit, sie liebten sie wegen ihres samtweichen, aufnahmebereiten Schweigens. Wäre ich ein Mann, hätte ich mich in diesem Moment in sie verliebt. Aber ich war in Mirko verliebt. Und das war die nächste Katastrophe.
»Kannst du dir vorstellen, warum er sich mit mir im Traum verabredet und dann kein Wort mehr davon sagt?«
»Hast du dich in seinem
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