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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Schlauchkleid anhatte, bedruckt mit weißblauen Rauten, erloschen die Lämpchen an den Wänden mit einem Schlag. Die Musik hatte aufgehört, und für zwei Sekunden war es dunkel im Raum, dann fing das nächste Stück an, eine Ballade, und die Lämpchen zuckten wieder, trüber als vorher. Aber noch hell genug, um zu erkennen, dass es sich bei dem, was den üppigen Körper der Frau umspannte, wirklich um ein Bayerische-Rauten-Schlauchkleid handelte. Offenbar aus sehr dehnbarem Stretch. Ärmellos. Nur um die Schultern waren die Rauten richtige Rauten, weiter zur Körpermitte hin wurden sie zu Karos, um den Bauch herum zu etwas, das entfernt Brummkreiseln oder Ufos ähnelte. Der Barhocker wirkte unter ihrer weißblauen Gewichtigkeit klein, seine Beine wie Zahnstocher.
    »Wuist a Passfoto?« Sie hob herausfordernd das Kinn. Unter dem sich ein zweites Kinn befand, ein Ersatzkinn gewissermaßen. Ich versuchte ein elfenhaftes Lächeln.
    »Äh … Grüß Gott?«
    Daraufhin herrschte für etwa drei Sekunden eine etwas ratlose Stille. In Quirins Gesicht zuckte es amüsiert.
    »Nur zu deiner Information, Gina: Franzi hat dich gefragt, ob du ein Passfoto von ihr willst. Franzi, das ist Gina. Sie arbeitet in Mirls Haus.«
    Verlegen rückte ich meine Elfenkappe zurecht. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich Franzi angestarrt haben musste wie ein Schaubudenwunder auf dem Jahrmarkt. Und ich konnte auch jetzt kaum damit aufhören. War dies die Franzi, die vuizdua hatte? Und war vuizdua vielleicht ein beschönigender Begriff für über Stuhlränder quellende Üppigkeit?
    »Entschuldigen Sie.« Zögernd ging ich ein, zwei Schritte auf sie zu. Gesellschaftliche Fauxpas, hatte Christiane mir gepredigt, könne man durch besondere Liebenswürdigkeit schnell wieder ausbügeln. »Ich finde Ihr Kleid wirklich interessant.«
    »So?« Sie musterte mich. Und mit ihr musterten mich alle Männer an der Bar. »Konnst ruhig du sogn, hosd mi? Hoi amoi an Hocka, Quirl.« Jetzt klang sie beinahe afrikanisch. Ich sah Quirin hilflos an.
    »Ihre Hoheit meint, du darfst sie duzen.« Wieder das amüsierte Zucken in seinen Mundwinkeln. »Und mein Vater soll einen Hocker holen.«
    »Das hats ned gsagt, aber was soll’s.« Der Bergführertyp – wie hatte ihn Strobl vorgestellt? Chef der Tauchschule? – stand auf und ging an den anderen Biertrinkern vorbei. Schweigend sahen alle zu, wie er einen Barhocker vom schummrigen Ende der Theke holte, ihn zwischen Franzi und seinem Sohn platzierte. Während ich versuchte, ihn möglichst elfenhaft zu erklimmen, sagte Franzi wieder etwas, diesmal zu Nat, etwas, das ich erst im Nachhinein als »Mach uns halt zwoa Mass« verstand und das Quirin mit: »Sie haben hier übrigens zwanzig Sorten Bier, auch in kleinen Gläsern« übersetzte. Aber schon schob mir Nat Wildmoser ein gewaltiges Glas über den Tresen, das mindestens fünf Kölsch gefasst hätte. Die mächtige Schaumkrone wirkte wie festbetoniert.
    »Prost«, sagte Franzi. Alle sahen mich an, als ob sie etwas von mir erwarteten. Franzi, ein ebensolches Glasungetüm mit einschüchternder Schaumkrone vor sich, hatte ihre gut gepolsterte, aber erstaunlich kleine Hand unter den Henkel geschoben. Ihr Daumen umschloss ihn von oben, während sich ihre Finger in die rautenähnlichen Vertiefungen des Glases krallten, ich musste an einen Film über Kletterer denken, die an Griffen im Fels ihr gesamtes Körpergewicht hochzogen. Was bei Franzi nicht ganz einfach gewesen wäre. Dafür stemmte sie die Mass mit einer beinahe tänzerischen Anmut, hielt sie mühelos in der Schwebe. Die Biertrinker um mich herum musterten mich in neugieriger Vorfreude.
    »Prost«, sagte ich, so lässig, wie ich konnte, schob meine Hand unter den Henkel, hievte das gewaltige Glas mit Schwung hoch und trank. Einen sehr viel größeren Schluck, als ich ursprünglich vorgehabt hatte.
    »Sauber!«, würdigte Franzi meine Leistung. Wobei sauber nicht unbedingt die richtige Bezeichnung war. Wortlos reichte Quirin mir ein Papiertaschentuch, und alle sahen zu, wie ich Bier von meinem Hals und Dekolletee abtupfte, so würdevoll wie möglich. Das Taschentuch roch nach Sonnenöl, Wasser, nach Sommer. Wie sein Besitzer, der sich jetzt mir zuwandte.
    »Auf ein Wettsaufen mit Franzi würde ich mich an deiner Stelle nicht einlassen.«
    »Ah, gä, Quirl, du Streichelzoobesucha«, sagte Franzi. Was mir Quirin nicht übersetzte. Obwohl ich ihn fragend ansah. »Passt scho, gä?« Damit stieß sie mit ihrer Mass sanft an

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