Eiertanz: Roman (German Edition)
Traum vielleicht danebenbenommen? Oh mein Gott, Gina, das war nur Spaß!«
»Schöner Spaß.« Ich bog auf die Straße zum See ab, versuchte vergeblich, das Bild einer sexuell enthemmten Gina mit Bunny-Ohren loszuwerden.
»Warum hast du mich eigentlich seit zwei Tagen nicht mehr angerufen?« Ich hörte selbst, wie vorwurfsvoll ich klang, aber ich konnte nicht anders. Nicht angesichts dieser Innenrolle, die ich beim Einparken zwangsläufig wieder im Rückspiegel sah.
Julia seufzte.
»Weißt du, das neue Kamasutra-Buch ist endlich gekommen … Es ist so poetisch.«
»Poetisch?«
»Wir haben gleich den Elefant, der im Morgentau die Lichtung betritt probiert und … wow!«
Ich stieg aus, schloss den Bus ab und versuchte verzweifelt, mir das Karöttchen nicht rüsselschwingend auf einer – was war wohl in der Kamasutra-Poesie mit Lichtung gemeint? – vorzustellen.
»Im Moment wäre mir der Papagei, der im Abendrot seinen Käfig betritt lieber«, murmelte ich, und Julia seufzte anteilnehmend, riet mir, den Haarschnitt nicht allzu schwer zu nehmen, es gebe doch so tolle Hüte, Kappen oder Tücher, man müsse nur phantasievoll sein. Ich bedankte mich, legte auf und ging ins Haus.
»Servus. Halt die Goschn. Servus. Zieh d’ Latschn aus, wannsd reinkimmst, hosd mi? Halt die Goschn. Mistviech.« Picco flatterte aufgeregt vom Wohnzimmer zur Küche und zurück, rastete einen Moment auf einer klobigen Keksdose aus Steingut, die auf dem niedrigen Tischchen stand, zwischen Piccos buntem Spielzeug. Und die ich nie und nimmer dort hingestellt hatte, ich erinnerte mich genau.
»Picco! War jemand hier?« Im Haus duftete es frisch, nach Zitrone. Nicht nach Putzmittel, eher nach einem sportlich herben Deo.
»Servus. Mistviech! Halt die Goschn!« Auf seiner Keksdose schwadronierte Picco noch eine Weile, mit tiefer, beinahe männlicher Stimme, dann stieß er einen höhnischen Pfeifton aus, flog durch die Diele, riss keckernd Handschuhe aus einer offenen Kommodenschublade in Planquadrat Flur C3, 1f2. Einer Schublade, die – auch daran erinnerte ich mich genau – nicht offen gewesen war, als ich ging.
»Picco! Wer war hier? Sag’s mir, Picco, wer hat hier herumgestöbert?«
Den Kopf schräg geneigt, hielt Picco inne, und für eine Sekunde erlag ich der Illusion, dass es möglich war, mit ihm ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Dann machte er sich mit neu erwachtem Eifer über die Schublade her, zerrte, riss, kreischte dabei: »Zieh d’ Latschn aus!« Und wie immer begriff er mit seinem Vogelhirn nicht, dass es unmöglich war, gleichzeitig zu reden und etwas festzuhalten, jedenfalls dann, wenn man für beide Tätigkeiten nur einen einzigen Schnabel zur Verfügung hatte. Empört flatterte er auf, als etwas aus seinem Schnabel fiel, direkt vor meine Füße. Etwas Glitzerndes. Bevor er es sich wieder schnappen konnte, riss ich es an mich. Eine paillettenbesetzte Mütze. Kreisrund, innen aus dünnem Seidenstoff.
Zwei Stunden später, nach einigen rauhen Auseinandersetzungen mit Bruce, entstieg ein mystisches Wesen dem Bus der Lachschmiede. Ich hatte lange vor dem Badezimmerspiegel gestanden, fassungslos immer wieder die hartgesprühte Innenrolle betrachtet, die Silberkappe erst nur probehalber aufgesetzt. Sie veränderte mein Gesicht, schmaler wirkte es, ernster, beinahe elfenhaft, besonders, als ich nachhalf: mit silbernem Lidschatten, Kajal, Wimperntusche und schimmerndem Lipgloss. Ein zartes Wesen blickte mir entgegen, geheimnisvoll lächelnd. Eine Beinahe-Elfe, die ich der Welt nicht vorenthalten wollte. Jetzt schwebte ich über den Waldparkplatz des Lokals, von dem der Massige geredet hatte, vorbei an Männern, die auf Holzbänken saßen und mich anglotzten, als wäre ich eine Erscheinung aus einem Traum: eine Elfe mit tollen Bommeln, Hupen oder Kazongas. Einen Moment wünschte ich mir, doch nicht das enge Top angezogen zu haben, aber dafür war es jetzt zu spät.
Biafuizl. Bühne und Bar, stand auf dem leuchtenden Schild über dem Eingang der Hütte , Inhaber: Nat Wildmoser. Drinnen war es dämmrig. Lämpchen an ledergepolsterten Wänden zuckten im Takt zu einem Gitarrensolo, das aus den Boxen kreischte. Es roch nach Bier, nach Jahrzehnten des Zapfens, Verschüttens, Aufwischens. Von der Theke her winkte Nat Wildmoser mir zu, und alle Männer auf den Barhockern, zwischen ihnen eine massige Frau, drehten sich um. Gerade, als ich zwei der Männer erkannte und mich fragte, ob die Frau tatsächlich ein
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