Eiertanz: Roman (German Edition)
fiel. Eine männliche Stimme antwortete. Ebenfalls mit einem Fluch. Wieder das Rumpeln. Und Piccos Kreischen. Etwas krachte gegen die Tür, und ich rannte in die Küche. Als ich mich aus dem offenen Fenster beugte, ohne Rücksicht auf Picco zu nehmen – was war ein davonfliegender Papagei schon gegen Einbrecher –, sah ich zuerst nur Stühle und Lampenschirme auf dem Kiesweg, dazwischen chinesische Porzellandrachen. Und Hände, die versuchten, Stühle, Stehlampen und Drachen wieder so kunstvoll aufzuschichten, wie ich sie zurückgelassen hatte. Die Hände waren behaart und gehörten einem stämmigen, schwarzhaarigen Mann in einem pinkfarbenen Hemd. Franzi stand neben ihm, tadelnd:
»Mei, Özcan, ned so … Siaggst, jetzt fallt schon wieder alles umeinand.« Worauf Therese ihren Hut zurechtrückte und beherzt eingriff.
»Was … was wollt ihr hier?«
»Äh, Gina. Servus. Wie geht’s? Guad?« Franzi winkte mir mit einer Bierflasche zu.
»Es is heit so a schöne Nacht, gä, Özcan?« Für ihre Verhältnisse sprach sie beinahe hochdeutsch. Der Schwarzhaarige nickte. Ebenso wie Therese, die sich nicht schämte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und in die Küche hineinzuspähen. Von Anderl keine Spur, auch Judda und Üwe schienen schon zu ihrer Pension im Nachbarort aufgebrochen zu sein.
»Dann störma ned weiter, was?«
Aber sie machten keine Anstalten zu gehen, spähten jetzt alle zum Küchenfenster hinein, ob der Bräd Bidd, den Judda nicht von der Bettkante schubsen würde, nicht doch noch hinter mir auftauchte. Ich sparte mir die Mühe, ihnen zu erklären, dass ein aggressiver Papagei ihn daran hinderte, die Küche zu betreten.
»Isa no do, dei Bsuch?«, traute sich Franzi schließlich. »Jo? Hot’s geklappt mit’m Essen? Und mit’m Bia?« Einen Moment schnupperte Franzi in die Luft. Falls sie die verkokelten Poulardenschenkel roch, war sie zumindest höflich genug, es nicht zu sagen.
»Alles okay«, sagte ich schwach.
Ich hätte, sagte Franzi, wieder in bemühtem Hochdeutsch, aber auch solch interessante Sachen vor dem Haus. Ob dort drinnen denn noch mehr Antiquitäten stünden? Das habe sie ja gar nicht gewusst. Özcan würde es auch interessieren. Und tatsächlich hörte Özcan aufmerksam zu, als Therese berichtete, es sei ganz beachtlich, was die patente Gina dort drinnen schon geleistet habe. Das habe sie von Quirl gehört. Gleich hatten alle wieder diesen Der-Quirl-hot-sie-hoambracht-Blick. Der gleich einem neugierigen, fragenden Und-jetzt-sitzts-da-drinnen-mit-Bräd-Pitt-Blick wich. Aber natürlich wollten sie nicht stören.
Pause.
Franzi könne ja morgen noch einmal vorbeikommen.
Pause.
Erwartungsvolle Blicke.
Jetzt aber erst einmal eine gute Nacht.
Weiteres Spähen, umsonst.
Sie winkten noch einmal, wirklich so a schöne Nacht sei heute, also, alles Gute noch, und entfernten sich, ums Haus herum, Richtung See. Vermutlich, um einen Blick ins große Zimmer oder ins Schafzimmer zu werfen.
Als ich zurückkam, räkelte sich Mirko auf dem Sofa und gähnte, sang eine kleine Melodie dabei, die er mit einem halb erstickten Stöhnen abschloss. Es war vollkommen unpassend, dass ich ausgerechnet jetzt an Prinz Muffel dachte. Auch er hatte auf diese Weise gegähnt, hatte die Welt an seiner Müdigkeit ebenso teilhaben lassen wie an seiner Verdauung. Dies war allerdings die einzige Gemeinsamkeit. Und genau genommen stimmte auch das nicht. Bei Mirko wirkte sogar das Gähnen auf eine raubtierhafte Art sexy.
»Was war denn?«
»Nachbarn.«
Ich wusste nicht, ob ich mich wieder neben ihn auf das Sofa setzen sollte, blieb unschlüssig mitten im Raum stehen. Er schaute auf die Uhr.
»Gibt es hier eigentlich einen Fernseher, Special Agent?«
(Fast besssinnungslos vor Leidenssschaft klammerte sssie sich an ihn. Er hob sssie auf und trug ssie auf ssstarken Armen zum Bett.)
Es war wirklich eine schöne Nacht. Sterne und Mond spiegelten sich im Wasser, ungestört von Wolken, Wellen oder Surfern. Ich hielt die Margerite in der Hand. Ein Blütenblatt hatte ich schon abgezupft (er liebt mich), jetzt trieb das nächste auf dem See, kreiselte im Mondschein. Alles war in bester Ordnung. Ich war wertvoll. Zu schade für eine schnelle Nacht. Eine Margerite und ein Kuss auf die Wange statt nackter Tatsachen. Es war ritterlich von Mirko, die Situation nicht auszunutzen. Auch wenn es bedeutete, dass er allein in meinem Bett schlief und ich nur eine Decke auf dem Sofa im großen Zimmer hatte. Ich zupfte ein
Weitere Kostenlose Bücher