Eiertanz: Roman (German Edition)
Hochsaison war im Café nicht allzu viel zu spüren. Nur zwei Tische waren besetzt, an einem unterhielt sich Alexander Strobl mit zwei älteren Männern in Trachtenhemden, den anderen, größeren Tisch teilten sich die Teilnehmer des Tauchkurses, bestehend aus Üwe, Judda und den Pantolettinnen, die gestern beim Schnorcheln dabei gewesen waren, aufgestockt durch ein dünnes Mädchen und einen Mann mit dicken Fischlippen, eindeutig ein phlegmatischer Küsser. Alle schauten mir erwartungsvoll entgegen, Quirin mit einem etwas spöttischen Lächeln, Judda und Üwe mit einem deutlichen »Na? War Bräd Bidd nü eine Granade öder ein Rohrgrebierer?« im Blick und einem noch deutlicheren »Nu, unn was wor eben mit den Göndömen lös?«. Dass auch die anderen wissend schauten, diese Wahrnehmung konnte nur Paranoia sein. Trotzdem drehte ich mich um, ging zuerst zu dem hinteren Tisch, von dem Alexander Strobl erfreut winkte.
»Frau Zuhlau! Was für eine Überraschung! Was macht eine Frau wie Sie an einem Ort wie diesem?«
Sie wollten weder Divers Dream noch eine Seemannsüberraschung. Sie wollten eine Haxe. Mit Semmelknödeln und Kraut. Wenn es in diesem Café, das die Wirtin selbst als Touristenmagnet bezeichne, keine ordentliche bayerische Haxe gebe, könne es mit der Anziehungskraft ja nicht allzu weit her sein, sagte einer der älteren Männer. Zu einer grau umkränzten Glatze trug er einen etwas verwegen aussehenden Seelöwenbart, und sein Trachtenhemd ließ freie Sicht auf eine bepelzte Brust.
»Es gibt nur Divers Dream oder Seemannsüberraschung«, sagte ich in meinem eisigsten Geschäftston, und Alexander Strobl gönnte sich einen raschen Blick auf meine Schuhe.
»Dann bringen Sie uns halt den peinlichen Anglizismus. Gina, das ist übrigens mein Vater. Veit Strobl. Und unser Herr Bürgermeister. Meine Herren, Frau Zuhlau, die Angestellte der Grundstückserbin. Warum sie sich neuerdings als Bedienung einspannen lässt, müsst ihr sie schon selbst fragen.« Wozu die Multitasking-Fähigkeit der Herren glücklicherweise nicht ausreichte. Sie waren vollends damit ausgelastet, mich von Kopf bis Fuß anzustarren. Eindeutig hatte Alexander Strobl seinen Hang zu Füßen von seinem Vater geerbt oder übernommen. Ob kleine Jungen sich ihren bevorzugten Frauenkörper-Fokus tatsächlich von ihren Vätern abschauten? Oder wurde man damit geboren? Gab es ganze Dynastien von Fuß- oder Torsotypen? Ließ sich diese Theorie auch an Quirin und seinem Vater überprüfen? Aber Hartl, der die zeternde Burgl in den Kleinbus verfrachtet hatte, war noch nicht zurückgekehrt, und Quirin sah an mir vorbei, funkelte Strobl an, der diesen Moment zu genießen schien. »Übrigens, Frau Zuhlau, wir unterhalten uns gerade über das Grundstück. Ich war nämlich heute auf dem Gemeindeamt und habe mich außerdem ein bisschen umgehört. Habt ihr eigentlich auch Sekt hier in diesem … hmm … Café? Einen guten Sekt, meine ich? Es gäbe durchaus einen Anlass für ein Gläschen, das Grundstück ist nämlich größer, als wir gedacht haben.« Er räusperte sich, schaute sich um, ob auch alle zuhörten. »Auch ein Teil dieser, nennen wir es, Tauchreviere gehört dazu. Und der Sandstreifen, den die Herren von der Tauchschule vereinnahmt haben, als die alte Dame noch lebte. Interessant wäre es zu wissen, ob die alte Dame dem überhaupt jemals zugestimmt hat, oder ob …«
»Wennsd nicht glei die Pappn hältst, wird’s richtig interessant. So interessant, dass du glei alle Sterne von deim Hotel siaggst und no a paar dazu.« Quirin war aufgesprungen, stand neben mir. Er trug das gleiche T-Shirt wie die Kursteilnehmer, auf allen leuchteten das Logo und der Schriftzug der Tauchschule, in Rosa. Und es schien diese Shirts nur in einer Größe zu geben: eng.
»Oh, der reizbare Herr Engler, gleich auf hundertachtzig, wie früher auf dem Schulhof. Ich dachte, beim Tauchen und Surfen müsste man besonnen sein. Jedenfalls, Frau Zuhlau«, Alexander Strobl sprach einfach weiter, als stünde Quirin nicht am Tisch, mit wutblitzenden Augen und geballten Fäusten, »wäre es schön, wenn wir die Angelegenheit bald klären könnten. Auch der Herr Bürgermeister sieht das so. Ansonsten fällt das Grundstück nämlich an den Staat, und das würde zu erheblichen Verzögerungen führen. Niemand will das, nicht wahr, Herr Bürgermeister?«
Der silberhaarige, kompakte Mann neben dem Seelöwenbart nickte bekräftigend und äußerte etwas, das wie »Freili, und vielleicht
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