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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Leit, hosd mi?« Auf Thereses Blick hatte er lächelnd seine Reißzähne entblößt, was Julia sofort auf eine neue Idee gebracht hatte: »Vampire! Ich könnte ein Vampirdirndl kreieren, wie findet ihr das? Vampire sind total in! Oder Werwölfe!«
    Jetzt, während ich mich schnell über dem Spülbecken wusch, das Müllsack-Oberteil schon heruntergestreift, dachte ich an Thereses Blick, und ein Kichern stieg in mir auf. Obwohl sich Mirko wahrscheinlich nie mehr melden würde. Obwohl ich immer noch erst bei Planquadrat D5, erster Stock war und es aussichtslos schien, jemals ein Testament zu finden, obwohl Christiane mich deswegen vielleicht feuern würde, und wenn nicht deswegen, dann sicher wegen Ralli. Obwohl das einzige Wesen, das sich in letzter Zeit in mich verliebt hatte, ein Papagei war, und selbst der wandte sich schon wieder von mir ab und betrog mich mit dem Karöttchen.
    »Ist jemand da drinnen?« Die Tür hatte sich geöffnet, nur einen Spalt, jemand schlüpfte herein, schloss sie wieder. »Oh, entschuldige.« Im trüben Licht der Lampe über dem Herd standen Quirin und Floh. Quirin trug immer noch seinen Lendenschurz und war anscheinend auf die gleiche Idee gekommen wie ich. Hastig, aber immer noch irre kichernd, wandte ich mich ab, schlüpfte schnell in mein Top. Quirin verharrte regungslos, nur Floh winselte sehnsüchtig, schaute auf zu seinem Besitzer und schlich verstohlen näher.
    »Geh ab, Floh.«
    Quirin packte den Hund am Halsband, gab ihm einen sanften Schubs, und Floh seufzte, streckte sich neben dem Herd aus. Empört sah er zu, wie sein Herrchen das tat, was er ihm gerade verboten hatte: Mit zwei großen Schritten war Quirin am Spülbecken, blieb vor mir stehen.
    »Soll ich dir helfen, Domina?« Um seine Augen Lachfalten, in seinem Blick noch die Ausgelassenheit der Probe.
    »Pass auf, ich bin eingezäunt.«
    »Na und?« Das warme Aufleuchten in seinen Augen. »Weißt was? Die Klamotten passen zu dir. Mei, die ist straight, hab ich gedacht, als ich dich mit dem Strobl-Brunza gesehen habe.«
    »Das war mein Geschäfts…, ich … ich bin gar nicht so, wie ich aussehe, ich meine … nicht so straight. Oder doch …«
    Wieso fing ich an zu stottern? Nur, weil seine Hände jetzt auf meinen Hüften lagen? Er zuckte kurz zurück, als er in den Stacheldraht griff, dann zog er mich näher zu sich heran.
    »Weißt du, dass du verdammt süß bist? Jedenfalls manchmal.«
    Vom Laden her die Stimmen der anderen, vom offenen Fenster das leise Glucksen der Wellen, eine nach der anderen plätscherte bedächtig an den Strand, Frösche quakten und balzten, vollzogen ihr gesamtes Paarungsritual, vom Vorspiel bis zum verlegenen Gespräch danach auf einem Seerosenblatt, während wir uns küssten, seine Lippen erst vorsichtig anfragten, seine Zungenspitze suchte und fand. Als was würde er sich entpuppen, als Freestyle-Küsser, kühner Surfer in fremden Gewässern oder – man wusste ja nie – als unsportlicher Phlegmatiker, der seine Zunge auf All-Inclusive-Urlaub schickte? Ich tat mein Bestes, sein Kussverhalten rational zu analysieren, für meine Statistik, aber mein Verstand hatte sich gemeinsam mit meinem Gleichgewichtssinn vorübergehend beurlaubt. Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn. Auf himmlischer Talfahrt. Mein Ohr meldete Atem, fremden Atem, eigenen Atem, nicht mehr zu unterscheiden, meldete einen unterdrückten Schmerzenslaut und ein hilfloses Seufzen, mit dem Quirin mich noch fester umschloss, während er seine Zunge auf Entdeckungsreise schickte, mit der Neugier eines Forschenden, der Verspieltheit eines Könners. Meine Hände ertasteten Nackenwirbel, erstaunlich fein, einen offenen Hemdkragen, unter dem sie gern verschwunden wären, aber ein letzter Wachtposten in meinem Hirn erließ ein Verbot, ich parkte sie auf verblüffend breiten Schultern. Und dann meldete mein Bein etwas. Etwas Feuchtes, das mich vorwurfsvoll anstupste, wieder und wieder.
    »Sitz, Floh, sei nicht solch eine Diva!« Quirins Stimme klang brüchig, und ich hörte, wie er tief und zittrig einatmete. Langsam, sehr langsam kehrte mein Verstand zurück. Und dummerweise sprach ich das aus, was mir als Erstes durch den Kopf huschte: »Du spielst nicht zufällig Trompete?«

12.
    D en ganzen Abend arbeitete ich in Planquadrat D5, Abschnitt 2b1 gegen meine Verwirrung an, gegen die Ganzkörpergänsehaut, die mich gegen meinen Willen überlief, wenn ich an den Kuss dachte. Es war ein vergleichsweise friedlicher Abend, Julia

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