Eiertanz: Roman (German Edition)
was hatte ich von dieser Wahrheit? – und betrat die Küche durch die Hintertür.
Das Karöttchen bot an diesem Mittag zweierlei vegane Variationen an: Basmatireis mit indischem Gemüse und vegetarisches Thai-Huhn in Kokossauce.
»Willst mi dableamln? Des Hendl is gar koa Hendl? Des Hendl is aus Saubohnen?« Anderl scannte Julia, die seinen Teller abräumte, so aufmerksam wie immer, vielleicht sogar eine Spur gründlicher, ob sich nicht irgendwo etwas Beunruhigendes hinter ihrer zarten blonden Erscheinung verbergen könnte, etwas, das sie auf die Idee brachte, Mannsbilder in a Dirndl zu stecken. Er spülte das falsche Huhn mit einem Schnaps herunter, winkte das Karöttchen zu sich.
»Hast eigentlich gwusst, dass wir Menschen verkümmerte Reißzähne ham, wiera Wolf, da, die Eckzähne, schaug amoi.« Er entblößte ein prachtvolles Gebiss.
»Wir miaßn Fleisch essen, das hast ned gewusst, ha? Ois andere is ned gesund. Also, machst halt morgen wenigstens amoi Weißwiarschtl, ha?« Anderl klappte seinen Mund mit den Reißzähnen wieder zu und verkündete, dass er auch zur heutigen Probe im Laden kommen werde, natürlich, er wolle ja sehen, was die junge Frau sich da ausgedacht habe.
»Heut is a Probn im Laden? Wofür denn?« Franzi, die auch ihr veganes Huhn gegessen hatte, aber Anderl zustimmte, dass das Ganze irgendwie nicht gesund sein könne, kam neugierig näher. Sie trug die neueste Kreation von Özcan: ein stahlblaues Trikot mit einem überdimensionalen bayrischen Löwen auf der Brust und einem weißblauen Umhang in der Art von Superwoman, und alle im Lokal drehten sich nach ihr um.
»Ach nix.« Therese machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nur a kleine Zusammenkunft. Oh, hallo Nat. Was a Zufall.«
»Zufall? Is heut keine Probn?« Nat Wildmoser stand mitten im Raum, schnupperte. Hinter ihm schnupperten die Männer, die mit ihm gekommen waren. »Riacht guad. Was gibt’s denn?«
»A Hendl, des aus oam Keim von oaner Saubohne is«, sagte Anderl, und Nat lachte.
»Veroarschn kann ich mich allein. Therese, ich hab a paar Spezln mitgebracht. Wegen der Musik.«
»Musik?« Therese hatte wieder diesen Es-ist-mir-nicht-geheuer-Blick, und ich stapelte schnell die leeren Teller, trug sie in die Küche.
»Die Julia hat doch gesagt, es fehlt a Musik auf der Modenschau«, hörte ich noch.
»Ach, a Modenschau?«, fragte Franzi.
Ich zog schnell die Tür hinter mir zu. Das Karöttchen saß auf der Bank, beide Ellbogen auf den Tisch gestützt, und brütete über einem Block. Über meinem Block, sah ich im Näherkommen, dem Block, den ich für das Essen mit dem Tauchkurs benutzt hatte. 7 x Divers Dream, stand darauf. Und darunter: Haxe? Vegetarisch?
Ich räumte das Geschirr in die Maschine. Hinter mir riss Therese die Tür auf, stellte ein Tablett leerer Schnapsgläser auf den Tisch.
»Aber morgen machst doch was Richtiges? Morgen kommt der Bürgermeister, weißt, der denkt ned so kompliziert. Da wär a Leberkas scho … oder an Hackbraten vielleicht, a Gehacktes schaut doch noch ned amoi aus wie Fleisch.«
Das Karöttchen sprang auf, pfefferte den Block auf den Tisch.
»Ich werde euch etwas kochen, dass ihr nie wieder Fleisch vermisst!«, sagte es feurig, drehte sich um und verließ die Küche.
Als wir in den Laden kamen, waren die Paravents schon aufgebaut. Nat Wildmoser und seine Freunde standen um den eingezeichneten Laufsteg herum und summten vor sich hin. Alle trugen Jeans und T-Shirts, die sich über gewaltigen Bäuchen wölbten. Sie hätten des Karöttchens wegen ihre Ledersachen zu Hause gelassen, sagte Nat Wildmoser, normalerweise trügen sie beim Singen Leder. Aber es ginge auch so, was zähle, sei die Musik.
»Was machts denn für Musik?«, fragte Therese. »Wieso kenn i euch denn ned?«
»Wir san halt noch ned so oft aufgetreten. Also, wenn man’s so will, noch gar ned. Wir sind a Männerchor. Also, a Hardrock-Männerchor.«
»Seids ihr denn sicher, dass so was zu einer Modenschau passt? Quirin, was sagst denn du?«
»Es ist eure Show.« Quirin war mit Floh gekommen, der sich vor dem Ladentisch ausgestreckt hatte, Julia zwang, über ihn zu steigen, einen Stapel ihrer neuesten Kreationen auf dem Arm. Ich hatte einige gesehen und bewundert. Und konnte mir vorstellen, wie zumindest Anderl schauen würde, wenn er seine neuen lederfreien Kniebundhosen anprobieren sollte. Julia räusperte sich und lächelte sanft: »Unser Motto ist: ›Trendige Trachten‹. Da erwartet man natürlich auch neue
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