Eiertanz: Roman (German Edition)
einem Gemisch aus verbrutzeltem Tofu und zerfallenem Kohl. Picco kreiste darüber und zeigte uns, was er davon hielt.
Am nächsten Tag präsentierte ich Christiane meinen gezeichneten Plan des Hauses, die abgehakten Planquadrate, und wir besprachen das weitere Vorgehen. Christiane lobte meine Einteilung, schickte uns nach oben zu den Planquadraten D6 bis E6, die wir zu dritt, sagte sie, wohl an einem Tag bewältigen könnten, richtete im großen Zimmer ihr Büro ein und wies uns an, ihr alles, was mit beschriebenem Papier auch nur ansatzweise zu tun hatte, sofort zur näheren Untersuchung zu bringen. Wir verbrachten den Vormittag in einträchtiger Arbeit, nur unterbrochen von einem Ausbruchsversuch von Lutz, den wir zu zweit daran zu hindern versuchten, die Küche zu stürmen.
»Meine Haxe … Ich muss zu meiner Haxe.«
»Schatz, Chris ist es sicher nicht recht, wenn du jetzt kochst, es ist schließlich ihr Haus, und sie ist unsere …«
»Lass mich zu meiner Haxe!«
»Schatz, bitte! Hör mal, warum gehst du nicht ins Café und experimentierst da ein bisschen?«
»Aber verschwinde unauffällig, ja«, fügte ich hinzu, und Lutz schlich die Treppe hinunter, zog leise die Haustür hinter sich zu. Im großen Zimmer versuchte Christiane, mit Picco klarzukommen.
»Das glaub ich jetzt nicht. Du hast jetzt nicht auf mein Telefon gekackt.«
»Du bist so guuuut!«
»Oh, ja, wo du das her hast, weiß ich, mein Lieber. Jetzt aber husch! Husch! Husch! Hier geht’s zum Käfig! Sonst lass ich dich ausstopfen.«
Keckern, das erstaunlich echt nach Lachen klang. Dann ein Bauarbeiter-Pfiff.
»Husch! Hier ist dein Platz!«
»Picco hot oan fahrn lassn, hehe. Halt die Goschn?«
»Hat dir Tante Mirl das beigebracht? Das sieht ihr ähnlich. Komm, mach Platz jetzt, ich sag’s dir im Guten.«
»Schau, dass d’ Land gwinnst, Hundskrüppe, gschtinkata!«
»Hör mal, du Viech, so redet man nicht mit einer Dame! Ich kann auch anders! Jetzt hopp!«
Keckern. Kreischen. Pfeifen.
»Was willst du denn noch hören? Gurrgurr, dutzi, dutzi? Himmel, ich mach mich hier doch nicht zum Affen! Und ihr da oben«, jetzt erschien sie auf den ersten Treppenstufen, perfekt gestylt, in einem ihrer pfirsichfarbenen Hosenanzüge, »ihr da oben, hört sofort auf zu kichern! Ich geh jetzt einkaufen, vielleicht gibt es ja irgendwo Salat mit Shrimps. Und Gina, vielleicht bittest du diesen Tierarzt, mal zu kommen. Und zwar sofort.«
Damit schlug sie die Haustür hinter sich zu. Wir hörten den Kies unter ihren Schritten knirschen, dann das gebieterische Klackern ihrer Absätze auf dem Parkplatz. Julia steckte die Girlande Weihnachtsschmuck, die sie gerade in der Hand hielt, in eine Mülltüte, zog sich Turnschuhe und Jacke an.
»Wo willst du hin?«
»Ich muss zu Therese und Pragit.«
»Bist du wahnsinnig? Wenn Christiane das …«
Aber sie stürmte schon die Treppe hinunter. Mit einem äußerst unguten Gefühl gab ich Picco seine Ration Erdbeeren mit Datteln, überlegte, wie ich den Papageienzuständigen am besten erreichen könnte. Sollte ich zum See gehen, mit klopfendem Herzen am Ufer warten, bis er auftauchte oder anlegte? Die halbe Nacht war seine geflüsterte Bemerkung »Du bist süß, wennsd so straight bist« durch meine Gedanken gegeistert, bis ich endlich einschlief. Und von ihm träumte. So, dass ich jetzt noch rot wurde.
Mitten in meinen Überlegungen riss Christiane die Tür auf.
»So ein Kaff! Mittagspause! Von …«, sie lachte ihr Allein-unter-Irren-Lachen, »… zwölf Uhr dreißig bis fünfzehn Uhr! Mittwochnachmittag geschlossen! Na los, wir gehen rüber ins Café.«
»Äh, zum nächsten Supermarkt sind’s nur acht Kilometer, und da gibt’s auch …«
»Ach was, irgendein Sandwich werden die schon haben.«
»Es gibt auch noch den Döner 24.«
»Gina, was ist denn los? Gestern habt ihr mir dieses gefährdete Café noch angepriesen. Also los, wo ist Julia?«
»Die ist … kurz mal spazieren. Stauballergie, glaub ich. Das Café ist übrigens mittags immer überfüllt. Wir bekommen bestimmt keinen Platz mehr und …«
»Das will ich erst mal sehen. Stauballergie!« Kopfschüttelnd stürmte Christiane voraus, und mir blieb nichts übrig, als hinterherzutrotten.
Der Tauchkurs war nicht zum Essen erschienen, der große Tisch war leer. In der Mitte des Lokals saß Alexander Strobl mit zwei Männern. Franzi, Özcan, die blondierte Frau vom Edeka, die Nail-Art-Metzgerin und Kathi, die, wie ich jetzt erst begriff, nicht
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