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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Reiseleiterin in die Hände: »Ja. Dann wollen wir mal.« Und schritt forsch auf den in der Tür lauernden Anderl zu, der nicht wusste, wohin mit seinen Blicken. Christiane trug ihr graues Kostüm und eine weiße, hochgeschlossene Bluse, Julia ein enges, elegantes Kleid in glänzendem Schwarz, ich einen etwas gewagten Lederrock und eine busenfreundliche Jacke über einem weißen Top.
    Anderl scannte Julia und mich eindringlich, beinahe glühend, als ob er uns für später auf seine Festplatte bannen wollte, um sich Zeit zu lassen, Christiane ausgiebigst zu betrachten. Ich spürte, wie sich die Luft um meine Chefin mit Wut auflud, je länger der Prozess dauerte, und sagte schnell: »Hallo Anderl, wir würden gern …« Weiter kam ich nicht, denn Anderl unterbrach mich mit einem genuschelten Satz, in dem die Wörter »Toilettn« und »Automatn« vorkamen und der mit »Es san fei noch koane frischn Präserl do« endete. Vorsichtshalber zog ich den Kopf ein. Immerhin hatte Christiane eine bayerische Tante, kannte das Wort »Schafszipfi«, war vielleicht irgendwo in Bayern aufgewachsen. Aber sie gab kein Anzeichen des Verstehens, und Anderl bleckte die Zähne. Sein Raubtierlächeln wich jedoch einem bestürzten Ausdruck, als wir selbstverständlich auf die Stufen zugingen, die in sein Lokal führten.
    »Jo mei, wos isn des jetza, wos gibtn des?«
    »Essen«, sagte Christiane, setzte ihren schwarzen Lackschuh auf die erste Stufe, und Anderl trat prompt einen Schritt zurück in den Gastraum. Der eher dunkel gehalten war und noch rustikaler als das Café. An den Wänden hingen Geweihe. Auch ganze, stumpf glotzende Hirschköpfe, zwischen Bildern, allesamt Gruppenfotos: die freiwillige Feuerwehr Neuenthal, der Kegelclub, eine Rudermannschaft, vielleicht auch Surfer. Pokale standen auf Brettern, darüber hingen Wimpel. Was hinten im Raum im Halbdunkeln saß, schien auch zum Inventar zu gehören. Erst als wir etwas weiter ins Dämmrige vordrangen, erkannte ich, dass es sich um Karten spielende Menschen handelte, die allerdings ihr Kartenspiel vorübergehend aufgegeben hatten, um unseren Eintritt gebührend zu würdigen.
    »Grüß Gott«, sagte Christiane in aller Selbstverständlichkeit und steuerte auf einen runden Tisch in der Mitte zu. Wir folgten ihr, und wieder einmal bewunderte ich meine Chefin für ihr perfektes, bestimmtes, dabei immer lässiges Auftreten.
    »Ich nehme ein Helles«, sagte sie zu Anderl, nickte zu Julia und mir herüber. »Ihr auch? Nach einem Wein zu fragen ist ja wohl sinnlos. Also drei Helle. Haben Sie eine Speisekarte?« Anderl murmelte irgendetwas, das klang wie »Muss i schaun, ob die Oide noch in der Kuchn is«, und entschwand. »Hat er jetzt die alte Speisekarte gemeint oder seine Frau?« Christiane lächelte zu den Kartenspielern hinüber, die sich noch nicht entschieden hatten, ob sie ihr Spiel wieder aufnehmen oder, Rücken zum Tisch, unseren Anblick genießen wollten wie ein etwas überkandideltes, aber gleichwohl fesselndes Fernsehprogramm. Niemand antwortete ihr, und ich versuchte, mich zu konzentrieren. »Was ist jetzt mit Mirko? Warum willst du ihn rausschmeißen?«
    »Ganz einfach.« Christiane rubbelte mit einem Papiertaschentuch an der verschmierten Tischplatte herum. »Weil er sich nichts sagen lässt, sich zu viel erlaubt, weil er frauenfeindlich ist, weil er mir zu teuer wird, wenn es so weitergeht mit den Schmerzensgeldforderungen, entzogenen Sendungen und Konventionalstrafen. Weil er sich selbst ins Aus manövriert hat und nicht auf mich hören wollte, weil man irgendwann einmal einen Schlussstrich ziehen muss, so weh es … Danke.« Sie nickte Anderl zu, der drei Biergläser vor uns abgestellt hatte, von der Größe, die man hier Hoibe nannte. »Und? Was gibt’s zu essen?«
    »Aber du kannst doch Mirko nicht einfach …«
    »Wenns koa Fleisch essts, wird’s ned so leicht.« Anderl zupfte an dem fleckigen Geschirrhandtuch herum, das er über dem Arm trug.
    »Wieso kein Fleisch?«
    »Ihr seids doch alle Veganer, ha?« Er schaute von mir zu Julia, zu Christiane, dann bleckte er sein Gebiss: »Es gibt a Reh.«
    »Wunderbar«, sagte Christiane. »Geschossen oder überfahren? Ach, egal, wir nehmen es.«
    Während sie, Julia und Anderl über Fleisch diskutierten, über Beilagen und einen Kartoffelsalat für Julia, die keine Ausnahme machen wollte, nur, weil das Karöttchen nicht dabei war, versuchte ich, wenigstens einen der Gedanken einzufangen, die mir durch den Kopf schossen, in

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