Eiertanz: Roman (German Edition)
Christiane lachte irre auf, beherrschte sich im letzen Moment. »Wir arbeiten heute den ganzen Abend, tut mir leid.«
»Na prima«, knurrte Julia. Ich duckte mich hinter meine Schlitten, und Quirin zuckte mit den Schultern, machte sich wieder auf den Weg nach unten.
»Na, dann hat sich das andere ja auch erledigt. Ich sollte Ihnen nämlich ausrichten, von meinem Vater … Ach, mei, ist ja jetzt wurscht. Machens den Draht gut fest, aber auf Dauer müssens sich schon was überlegen.«
»Wir haben das hier in spätestens zwei Tagen gelöst, keine Sorge. Dann werde ich schauen, was wir mit dem Vogel machen.«
»Sie meinen, in zwei Tagen hams was gefunden? Und wenn nicht?«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Ich habe aber meine Gründe, ein, sagen wir, positives Ergebnis zu erwarten.«
»Und ohne Ergebnis lassens diesen Brun…, diesen Strobl schon mal das Land vermessen? Interessante Vorgehensweise.«
»Einen schönen Tag noch.«
»Ebenfalls.« Seine Schritte, Richtung Tür.
Christiane hielt ihn zurück: »Wenn’s Ihnen nichts ausmacht: Was hat Ihr Vater mir denn nun ausrichten lassen?«
»Ich glaube, ich habe es gerade vergessen.«
Die Tür fiel zu.
Den ganzen Abend, während wir stumm und verbissen nebeneinander arbeiteten, wartete ich auf Christianes Strafpredigt, aber außer: »Damit wir uns verstehen: Bedienen im Café und Schnorcheln war gestern. Ganz zu schweigen von dem, was ihr mit Sadomaso und Präserl vorhattet. Nein, Julia, ich will es nicht genauer wissen«, sagte Christiane nicht viel. Sie hatte sich umgezogen, trug Jeans zu einer Bluse, deren Ärmel sie aufgekrempelt hatte, und schleppte gemeinsam mit Lutz ein Sofa nach dem anderen nach unten, nicht ohne es vorher genauestens abzuklopfen und zu untersuchen. Ich hatte meine Chefin noch nie so gesehen, schwitzend, mit gerötetem Gesicht und verlaufender Schminke, die sie irgendwann einfach mit einem Papiertaschentuch abwischte. Wir leerten das gesamte Weihnachtszimmer, legten unter einer Sammlung verrosteter Badezimmerarmaturen, alten Toilettenschüsseln und Wannen das Bad im ersten Stock frei, stellten Klobrillen, Schlitten und Skiausrüstungen aus mindestens fünfzig Jahren zum Müll, vor den Augen der versammelten Sperrmüllgemeinde. Die üblichen Verdächtigen flanierten vor dem Haus auf uns ab, bewunderten hier einen Spiegel, dort einen Schlitten mit Rentieren oder einen zierlichen Porzellanklosettspülkasten mit Kette. Franzi, am Arm von Özcan, hatte sich zur Feier des Abendspaziergangs besonders in Schale geworfen. Sie trug einen goldglitzernden Minirock zu blauweiß gerauteten Strumpfhosen, dazu ihr Duttln-und-Bier-T-Shirt, winkte fröhlich zu Therese hinüber, die im Eingang ihres Cafés stand und rauchte. Einen Moment dachte ich wieder an das Foto bei Anderl: War es tatsächlich Therese gewesen, die neben Franzi ihr Sektglas geschwenkt hatte, etwas verschämt lächelnd, mit hochgesteckten Haaren, in einem rosafarbenen Negligé mit schwarzer Spitze?
»Wannsd noch a Model brauchst, woaßt ja, wo d’ mich findst, gä?« Franzi nickte Therese nachdrücklich zu, rief ein »Na, wie weit bist denn damit?« zu Julia herüber, glücklicherweise, ohne das Wort Kondomdirndl auszusprechen, vielleicht aus Rücksicht auf die alte Burgl, die am Arm der Nail-Art-Metzgerin am Sperrmüll entlangflanierte und Christiane zornblitzende Blicke zuwarf.
»Flitscherl, du wirst scho sehn, der Kirch ghörts«, zischte sie, und die Metzgerin packte ihren Arm fester.
»Gä, Burgl, wannsd di ned benimmst, bring i di ned mehr her.«
»Wer ist das denn?«, flüsterte Christiane.
»Meinst du die Ex-Klassenkameradin von deiner Tante, die Metzgerin mit dem Nail-Art-Studio, die nebenberuflich als Friseurin arbeitet, oder die amtierende Bierkönigin vom Landkreis?«
»Oh, du meine Güte«, murmelte Christiane, lächelte Franzi an, die ihr »Herzliches Beileid, wenn auch a bisserl spät« wünschte und irgendetwas von einem »tragischen Versehen mit der Urne« und »wos meinens, wos des für a Schock war, als i die Keksdosn aufgemacht hab« hinzufügte, zum Glück unverständlich, falls man nicht sowieso ahnte, was sie sagen wollte, zumindest hoffte ich das.
Vergeblich.
»Eine Keksdose?« Christiane lächelte zuckersüß zu Franzi hinüber und warf mir einen weniger zuckersüßen Blick zu. »Hast du nicht gestern auch dauernd von einer Keksdose …?«
»Ich … äh … ich wollte dir nur von Franzis Rezept erzählen … für … für … für
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