Eifel-Blues
die Rebeisen wohnte. Fahr in die Innenstadt, parke in einem Hochhaus und streune herum. Dann springst du in ein Taxi und fährst hin.«
»Das ist gut, das mache ich. Und ich rufe dich alle zwei Stunden an. Sag mal, glaubst du wirklich, daß dieses Telefon abgehört wird?«
»Aber sicher. Die wären verrückt, wenn sie es nicht täten.«
»Die müssen aber doch nach den Vorschriften gehen. Die brauchen doch eine richterliche Genehmigung.«
»Brauchen sie nicht. Es gibt amerikanische Geheimdienste, die sich einen Dreck um unsere Gesetze kümmern. Es ist bewiesen, daß Leute aus der Friedensbewegung laufend abgehört wurden, ohne daß ein deutscher Richter es erlaubt hatte. In Bremen zum Beispiel. Die Amerikaner haben auch personenbezogene Akten angelegt. Die deutschen Dienste bitten die amerikanischen Freunde, doch mal kurz in meine Leitung hineinzuhorchen, mit wem ich telefoniere und was ich so sage. So einfach ist das, technisch kein Problem. Kannst du mir die Pflaster am Mund abnehmen? Das ist ekelhaft.«
Sie nahm mir die Pflaster ab und verschwand trällernd im Badezimmer, um sich für die Fahrt nach Köln zurechtzumachen. Ich glaube, sie war glücklich.
Sie war kaum vom Hof herunter, als Alfred kam und sich auf mein Sofa setzte. Er war rot im Gesicht und verschwitzt und außer Atem. »Wenn das Wetter hält, kriege ich die Silos voll. Hast du ein Bier?«
»Im Eisschrank muß eins sein.«
Er ging in die Küche, und ich hörte ihn herumklappern. »Irgend etwas Neues?«
»Ich könnte dir die Namen der Opfer geben, aber das tue ich nicht. Ich könnte dir auch Fotos von den Toten zeigen und vom Tatort, aber das tue ich auch nicht.«
»Du bist ein Angeber. Alle Pressemenschen sind Angeber.«
»Gieß dir ein und lang mal da in das Bücherregal. Die Fotos sind in dem Bildband über Ägypten.«
Er hockte da im Sessel, trank bedächtig einen Schluck, sah das erste Foto an, dann das zweite, dann, schnell hintereinander, die nächsten fünf. »Das darf nicht wahr sein, Baumeister. Wer hat die gemacht?«
»Ein Soldat. Er hat sie mir verkauft.«
»Es gibt doch überall Schweine«, sagte er heftig. »Aber das kannst du doch nicht drucken, oder?« Er sah weiter die Bilder durch. »Da ist eine Knarre, eine Mauser. Ein uraltes Modell, aber beliebt. Mein Vater hatte auch so eins.«
»Tu die Fotos zurück und vergiß sie«, sagte ich. »Sag mir bitte, was die Leute über diese Spionagegeschichte erzählen.«
»Och«, murmelte er, um klarzumachen, daß er von Spionagegeschichten nichts hielt. »Ab und zu fährt hier ein DDR-Laster durch die Gegend. Ist ja klar, weil die wirtschaftlichen Beziehungen zur DDR enger werden. Glaubst du, daß alle die Brummifahrer aus dem Osten Spione sind?«
»Weiß ich nicht, ist mir auch egal. Todsicher werden sie von Zeit zu Zeit vom Staatssicherheitsdienst ausgequetscht, was sie so sehen und erleben. Und als Kuriere werden sie sicher auch benutzt. Spione sind Idioten, ob sie aus Ost oder West sind.«
»Etwas ist schon komisch an diesem Brummi aus Dresden, der in Hohbach war. Die Straße von Hohbach zum Depot und weiter zur Bundesstraße war ja nur ein Feldweg. Die wurde vom Verteidigungsministerium extra ausgebaut, ist aber gesperrt für Durchgangsverkehr und Lastwagen. Die fahren die andere Straße aus Hohbach raus zur Bundesstraße. Der LKW aus Dresden ist am Sonntagabend, als die Schweinerei passierte, über die gesperrte Straße zum Depot gefahren.«
»Ist das ganz sicher?«
»Ja. Da sind zwei Leute von der Freiwilligen Feuerwehr Hohbach aus der Kneipe gekommen und sahen, wie er die Straße zum Depot hochzog.«
Er trank sein Bier, und wir sprachen über Belanglosigkeiten, und hinterher war mir ein wenig elend, weil ich ihn belogen hatte. Er war jemand, der Lügen eigentlich nicht verdient, gleichgültig, aus welchem Grund.
In der Tür drehte er sich um. »Hat Naumann gesagt, wann du aufstehen darfst?«
»Ich darf aufstehen, aber ich kann nur kriechen und kann doch so nicht unter Leute.«
Er grinste. »Du siehst wirklich aus wie Dracula. Ich hab da was gehört, weiß aber nicht, ob was dran ist. Dieser Leutnant, der Tote, der soll was gehabt haben mit einer Frau aus einer Boutique in Blankenheim. Ich weiß nicht, wie die heißt, ich weiß nur, die ist groß und blond und war angeblich mal Mannequin. Mit der soll er schon lange was gehabt haben, sagen die Leute.«
»Die Leute sagen viel.«
»Ich sag's dir doch nur.« Er war beleidigt.
»Danke, ich werde es nicht vergessen.
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