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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Tabletten oder ähnlichen Chemikalien. Selbstmord? Ausgeschlossen. Ich habe forensische Medizin gemacht. Da lernt man sehr einfache Dinge. Sie ist zwar aus kürzester Entfernung erschossen worden und von vorn. Aber ich habe keinen Pulverschmauch entdeckt, keine Streuung der Schrotkörner in der Weise, daß sie zum Beispiel das Gewehr mit dem Kolben auf den Boden gestellt, den Lauf gegen das Gesicht gehalten und abgedrückt hätte, was allen Erfahrungen nach bei einer Frau fast undenkbar ist. Der Nachweis der Entfernung vom Täter zum Opfer ist wegen der Partikel beim Verschuß von Schrotmunition sehr leicht zu berechnen. Der Täter stand rund drei Meter bis drei Meter fünfzig entfernt. Soso! Aha! Jetzt muß ich aber. Steigen Sie aus dem Pool.«
    »Das kann ich selbst.«
    »Das können Sie selbst, aber wenn Sie umfallen, ist niemand da, der Ihnen hilft.«
    Er bugsierte mich aus der Wanne und geleitete mich hinunter ins Wohnzimmer. Er las die Mitteilung des Ministeriums und schüttelte den Kopf. »Die sind wirklich frech.«
    »Die können es sich erlauben. Hat sich Ihre Frau beruhigt?«
    Er lächelte. »Ich habe ihr gesagt, daß Sie absolut verschwiegen sind. Und sie glaubt es jetzt jedenfalls ein bißchen. Ich habe übrigens auch so eine Steinmauer wie Sie. Heute morgen war eine Kröte da.«
    »Grüßen Sie sie von mir.«
    Als er gegangen war, sang ich das selbstgefertigte Volkslied Ein Suppenhuhn, ein Suppenhuhn, das soll man in die Suppe tun nach der Melodie Der Theodor im Fußballtor.
    Dann rief Elsa an und sprudelte los: »Hallo, mein Lieber. Ich bin fertig mit den Einkäufen. Ich habe eine traumhafte Bluse gekauft und eine schneeweiße Hose. Schneeweiß wie meine Seele. Und eine alte Freundin habe ich getroffen, oder ich habe vielmehr gehört, daß sie ... Na ja, sie war mal eine richtig nette Verkäuferin, aber dann ist sie Nutte geworden. Das liegt schwer auf meiner Seele. Ich mache mich jetzt auf den Heimweg. Weißt du, es ist schlimm, wenn man plötzlich an alten Freunden zweifelt. Ich glaube, die war nie eine Verkäuferin. Ich glaube, die war immer Nutte.«
    »Der werfe den ersten Stein.«
    »Du mit deiner Halbbildung.«
    Ich schmierte mir wieder ein Viertelpfund von der Bauernsalbe ins Gesicht, weil zu sehen und zu spüren war, daß die Heilkunde von Alfreds Mutter besser funktionierte als die Medizin des Doktor Naumann.
    Der Chef rollte auf den Hof, ich hörte ihn lärmen. Er kann nicht, ohne zu lärmen. »Das ist ja am Arsch der Welt, ist das hier.«

VIERTES KAPITEL
    Er war nicht allein, er ist nie allein. Ich sah durch das Fenster, daß ein weibliches Wesen in seinem Kielwasser schwamm.
    Elsa würde jetzt wahrscheinlich giftig bemerken, daß ich fünf Mark in die Chauvikasse tun müsste, aber dieser Chef hat nun mal ein Kielwasser, das anders zu formulieren wäre gelogen. Also, das Wesen in seinem Kielwasser wirkte auf den ersten kurzen Blick biblisch, oder was wir – von Hollywood erzogen – so biblisch nennen. Sie trug ein langes Tuch um Kopf und Schultern, wahrscheinlich weil in der Eifel immer ein frisches Lüftchen weht, das die schnieken Friseure hassen, von dem sie sagen, es zerstöre den Typ. Das Tuch war durchsichtig und lindgrün. Unter dem erneuten Stoßseufzer »Das ist ja hier am Arsch der Welt« kam der Chef den Flur entlanggesegelt. Dann brüllte er: »Baumeister? Wirtschaft? Wo ist hier ein menschliches Wesen?« Er füllte den Türrahmen. Der Chef ist groß und massig, sein Haar ist schmutziggrau wie altes Eis, seine Augenfarbe hat noch kein Mensch feststellen können, Sekretärinnen sagen entzückt: »Die changieren!« Er hat aber, dies ist verbürgt, strahlende Augen über einer starken Hakennase. Die wiederum thront über einem starklippigen Mund, den Psychologen verletzlich nennen würden. Mit dem Kinn ist nicht viel los, es ist ein wenig schlaff, hängt bedröppelt herunter, ist der negative Teil, die Verkörperung der Erkenntnis, daß seine Reporter immer ein wenig schlechter sind als er selbst, wäre er je Reporter gewesen.
    Er stemmte sich mit beiden Armen in den Türrahmen, als wolle er ihn sprengen. Dann dröhnte er: »Liegt im Bett! Auf der faulen Haut! Antriebslos und phantasiegeschwächt! Wo, mein Gott, sind die alten Zeiten, als die Reporter noch so fickerig waren, daß die Stoffe schneller liefen als ihre Gedanken?«
    Das alles sagte er und sah mich an. Dann fiel ihm etwas auf, und er wurde schmal in der Tür und atmete ein wenig laut und hastig. »Mein Gott, Junge,

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