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Eifel-Connection

Titel: Eifel-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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denen Bauersfrauen bei uns solche Kopftücher getragen hatten. Um den Hals trug sie ein weiteres Tuch. Es war grau und saß unordentlich, als habe jemand daran gezogen. Darunter zwei Pullover, einer rot, einer grün. Dann ein Rock, tiefschwarz mit einem breiten Gürtel aus Plastik, knöchellang. Schwere, hohe, schwarze Schnürschuhe aus einem Lederimitat.
    Ich wechselte das Objektiv, um einen möglichst maßstabgetreuen Überblick über das Innere der Behausung zu bekommen, ich fotografierte alle Einzelheiten, die mir auffielen. Von einem Aschenbecher bis hin zu einer kleinen Holzschachtel, in der auf einfachem, weißem Papier Telefonnummern gestempelt waren. Eine kleine Vase, in der eine Rose aus Plastik stand, eine Madonna aus Gips, blaues Gewand, rosiges Gesicht, der segnende Arm abgebrochen, vielleicht zehn Zentimeter hoch.
    »Was glaubst du, wie alt sie ist?«, fragte Emma.
    »Sechzig, würde ich sagen. Kann auch mehr sein. Ich weiß es nicht. Sie hat keine Handtasche bei sich, aber vielleicht liegt sie drauf. Können wir jetzt den Lkw-Fahrer erledigen?«
    »Ja, natürlich. Du willst hier weg, nicht wahr?«
    »Ja. Wahrscheinlich, weil das alles so trostlos ist. Die Tote wirkt auf mich wie der ganz arme Teil von Mütterchen Russland. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hat niemand sie umgebracht, vielleicht ist sie einfach gestorben?«
    »In diesem Dings da? Du bist aber optimistisch.«
    »Optimismus ist das Einzige, was mir bei dem Anblick bleibt.«
    »Das ist das Echo auf Gabi.«
    »Du hörst dich an wie eine Familientherapeutin.«
    »Ich bin eine, du weißt es nur noch nicht.«
    Wir überquerten die Bundesstraße und gingen auf den Lkw zu. Es war ein schwerer Iveco, ein rotes Ungetüm ohne Werbeaufschrift. Als wir uns näherten, sprang ein Mann aus dem Fahrerhaus, strahlte uns an und sagte: »Guten Morgen, die Dame, guten Morgen, der Herr!«
    »Na, so was«, murmelte Emma. »Können Sie uns erzählen, wie das hier abgelaufen ist?«
    Er war vielleicht vierzig Jahre alt, ein hagerer Typ mit vier Millimeter hohem, rabenschwarzem Haar. Er trug ein blaues Jeanshemd über einem weißen T-Shirt und ausgebeulte Jeans zu schweren, braunen Halbschuhen. Sein Oberkiefer war mit Hauern versehen, die Graf Dracula Ehre gemacht hätten.
    Er sah die Kamera vor meinem Bauch baumeln, stellte sich augenblicklich in Positur und grinste teuflisch.
    »Habe ich Frau gefunden. Tot. War so vier oder fünf Uhr.«
    »Vier oder fünf?«, fragte Emma.
    »Weiß ich nicht genau, habe ich nicht Uhr geguckt. Hier sind meine Papiere, hier die Papiere von Truck, und Ladepapiere.« Er hielt Emma alle die Kostbarkeiten unter die Nase. »Wie heißen Sie denn?«
    »Zygmunt«, dann folgte ein weiteres Wort, das wie ein hartes Rauschen mit einem langen ihhh am Ende klang. »Bin ich Bulgare.«
    »Dann erzählen Sie mal, Zygmunt.«
    »Kam ich hier vorbei, habe ich rotes Licht gesehen. Da in dem Wagen. Habe ich hier gehalten, bin ich dort gegangen. Mache ich Tür auf, sehe ich Frau. Tot. Sage ich Jesus, Maria und Joseph! Rufe ich Polizei.« Er breitete die Arme aus und setzte hinzu: »Das alles.«
    »Das war nicht das erste Mal?«, fragte Emma.
    »Nein. War nicht. Bin ich gewesen am Freitag auf Rücktour. War blonde Frau hier. Jung. Sehr schön, sehr schön. Wollte ich wiedertreffen. War guter Spaß. Heute Morgen alte Frau da, aber tot.«
    »Haben Sie die alte Frau jemals vorher gesehen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie irgendeinen anderen Menschen gesehen? Da, an dem Wohnwagen?«
    »Nein. Ich allein.«
    »Kein Auto hat angehalten?«
    »Nein. Zu früh für Spaß. Deutsche erst abends, Bulgaren immer.«
    »Wie hieß die junge, blonde Frau?«
    »Sie hat Anna gesagt.«
    »War sie eine Deutsche?«
    »Hat sie gesagt Polen. Schöne Frau. Ist sie hier nicht oft, hat sie gesagt. Nur Aushilfe. Nur Donnerstag und Samstag arbeiten.«
    »Wie alt war denn die Aushilfe?«
    »Sage ich fünfundzwanzig oder so.«
    »Haben Sie ein Handy?«, fragte Emma. »Kann ich die Nummer haben?«
    »Aber ja«, murmelte Zygmunt und diktierte sie ihr.
    »Ich brauche noch ein Foto«, bat ich. »Stell dich mal vor das Monstrum, genau vor dein Fahrerhaus.«
    Zygmunt machte das, er grinste und sagte sehr überzeugend: »Bin ich guter Teamspieler.« Dann lächelte er in meine Kamera, als sei er George Clooney.
    Anschließend bestieg er sein Vehikel und rollte in Richtung Autobahn. Dabei ließ er sein Fenster herunter und winkte uns begeistert zu, als sei er dem Schicksal unendlich dankbar, uns

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