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Eifel-Connection

Titel: Eifel-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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der Sportplatz, unmittelbar dahinter ein großer, alter Buchenbestand. Ich musste wenden, weil kein Weg von dort zum Bruch zu führen schien. Also zurück, bis ich die kleine, schmale Straße nach rechts erwischte, die parallel zum Bruch verlief und dann auf das Nadelöhr in dem Erdwall zulief, das den Eingang markierte.
    Die Wunde, die in die Landschaft geschlagen worden war, war eindeutig sehr massiv. Und es wurde auch deutlich, dass man von der Bundesstraße aus nur den schmalen, harmlosen Buschsaum sehen konnte und einen winzigen Teil des ehemaligen Berges, der dahinter in die Luft ragte. Das war eindeutig so gewollt, das gab es überall in der Vulkaneifel, das machte es auf den ersten Blick so harmlos, das vertuschte die Realität. Unmittelbar hinter dem Nadelöhr war die Operationswunde riesig, schroff und tief, abweisend und tödlich kalt. Wer immer es technisch erledigte, er hatte den Berg längst gestohlen, und die Reste waren eine ärmliche Kulisse, ein riesiges Loch. Vulkaneifel nannten wir unsere Heimat. Was, wenn es keine Vulkankegel mehr gab?
    Ich wendete erneut und sah auf das Dorf. Welche Häuser hatten Fenster mit Blick auf meinen jetzigen Standort, wer konnte das Auto des Geologen Dr. Christian Schaad gesehen haben? Mein Verhandlungstermin war sein Todestag, der 3. März, ein Donnerstag, annähernd 11 Uhr, oder 11.30 Uhr. Sein Golf, das hatte Nina gesagt, war grau.
    Ich nahm mein Fernglas aus dem Handschuhfach und suchte die Häuser ab. Ich suchte das Haus, in dem die Küche in meine Richtung sah, denn in der Küche, das war eine alte Erfahrung, saß immer jemand, oder jemand wartete auf das Essen, oder jemand kochte.
    Es gab so ein Haus. Es war alt, war mit Eternitplatten isoliert, lag im Schatten zweier hochragender Birken, hatte einen großen Scheunenteil, dann einen schmalen Stall, dann das Wohnhaus. Alles so sauber, dass klar war, dass dort ein Bauer ohne Arbeit lebte, ein alter Bauer.
    Ich rollte gemächlich dorthin, es waren nicht mehr als ein paar hundert Meter. Ich klingelte, eine alte Frau öffnete mir, sah mich misstrauisch an.
    Ich stellte mich vor, bemüht um höfliche Worte. Als ich das Gefühl hatte, dass sie mir nicht gleich die Tür wieder vor der Nase zuschlagen würde, kam ich zum Punkt: »Es geht um den tödlichen Unfall am 3. März«, sagte ich. »Da stürzte ein Mann im Steinbruch ab. Ich will fragen, ob den jemand gesehen hat.«
    »Oh«, sagte sie, »das weiß ich nicht.« Sie mochte siebzig Jahre alt sein, sie war grauhaarig, klein und mager, ihr Körper gebeugt von lebenslanger, schwerer Arbeit. Und sie war misstrauisch. Wahrscheinlich lebte sie mit dem Verdacht, schon einen Versicherungsantrag unterschrieben zu haben, wenn man sie nur nach dem Weg fragte. »Da müssen Sie mit meinem Mann sprechen«.
    »Wo ist er denn?«
    »In der Küche«, antwortete sie. »Kommen Sie mal.«
    Der Mann saß an einem Küchentisch unmittelbar vor dem Fenster. Er trug einen Blaumann und saß vor einem Kreuzworträtsel. Er wirkte listig, ein wenig verschroben, er war der Typ, von dem man unwillkürlich dachte: Der hat es faustdick hinter den Ohren.
    »Setz dich!«, sagte er.
    »Also, ich bin der Baumeister. Und mich interessiert der 3. März. War ein Donnerstag, morgens so gegen elf Uhr oder 11.30 Uhr dreißig. Da fuhr ein grauer VW-Golf das Sträßchen da entlang. Haben Sie den gesehen?«
    »Habe ich.«
    »Aber auf die Uhrzeit haben Sie nicht geachtet?«
    »Doch! Es war 10.20 Uhr.«
    »Sieh mal einer an. War Betrieb in der Grube?«
    »Nein, da war nichts los, da war im Moment kein Abbau.«
    »Wie fuhr er denn, der Golf? Langsam, schnell, hatte er es eilig?«
    »Normal, sage ich.« Er trug kein Gebiss, wahrscheinlich war es ihm einfach lästig. Wozu auch, wenn doch kein Mensch vorbeikam. Also nuschelte er etwas.
    »Was passierte dann?«
    »Nichts.« Er hob den Kopf und sah mich an. Der Mann lachte, er lachte vollkommen lautlos, und seine Augen funkelten. »Was heißt denn nichts?«
    »Na ja, der fuhr da hoch und parkte und stieg dann aus. Da ist ja so ein Erdwall, in dem eine tiefe Kerbe ist. Da musst du durch.«
    »Der Mann ging also da durch. Zu Fuß.«
    »Kann man so sagen.«
    »Und was passierte dann?«
    »Nichts.« Er sah mich wieder an, als könne er kein Wässerchen trüben.
    Ablenken, Baumeister, ablenken. »Da fällt mir ein, ich kenne euren Namen gar nicht.«
    »Klaes«, sagte die Frau, die irgendwo hinter mir stand. »Nikolaus und Irene. Das sind wir.«
    »Wie ging denn das weiter?

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