Eifel-Feuer
Millionärin, als sie in der Wiege lag. Und sie hat, noch zusammen mit ihrem Ehemann Otmar Ravenstein, ihr Vermögen testamentarisch an die Kinder weitergegeben, das Erbe also vorzeitig ausgezahlt. Wenn der General eine Stiftung aus wohltätigen Gründen initiiert, werden die Kinderchen samt Mami nicht klagen können, denn das würde eine Sorte Aufmerksamkeit hervorrufen, die ihnen gar nicht gut bekommt.«
»Ich weiß, daß Sie Seepferdchen genannt werden«, sagte ich. »Wie heißen Sie eigentlich richtig?«
»Annalena heiße ich. Annalena Trier.«
»Wie die Stadt?«
»Wie die Stadt.« Sie nickte. »Wie wäre es, wenn ich etwas zu essen bestelle und wir uns langsam, aber sicher dem kritischen Punkt nähern?«
»Und wo liegt der kritische Punkt?«
»An zwei Tagen«, sagte sie. »Erstens an einem Tag vor etwa sechs Wochen, als Ewald Herterich starb. Und zweitens an einem Tag etwa vierzehn Tage später, als der General aus der Eifel zurückkehrte, vor seinem Schreibtisch stand und sich dann übergab.«
»Das ist nicht wahr«, flüsterte Germaine.
»Oh doch.«
»Mal ernsthaft«, unterbrach ich. »Eines vorab: Glauben Sie, daß der Mörder ein Profi war?«
»Ja«, nickte sie. »Und daher müssen wir uns mit einem weiteren Mann befassen. Sein Name ist Heiko Schüller, und ...«
»Ist das der Bundestagsabgeordnete?« fragte ich schnell.
»Ja«, sagte sie. »Genau der.«
»Was hat der damit zu tun?«
»Er hat eine merkwürdige Leidenschaft für Geheimdienste.« Sie ging zum Telefon, und wir hörten zu, wie sie Bier, Sekt und Fruchtsaft, belegte Brötchen und ähnliche Notwendigkeiten orderte.
»Das ist sehr verwirrend.« Germaine drehte sich erneut eine Zigarette, und ich beschloß, mir eine Pfeife zu stopfen. Seit Sammys Prügeln hatte ich kein Rauchopfer mehr gebracht, und ich war es leid, gesund zu leben.
Annalena setzte sich wieder. »Herr Baumeister, nehmen wir einmal an, daß eine Institution, in diesem Fall ein Geheimdienst, sich massiv bedroht fühlt. Glauben Sie, daß diese Bedrohung durch Mord aus der Welt geschafft wird?«
»Das weiß ich nicht. Was soll das?«
»Ich nehme an, daß das passiert ist.«
In diesem Augenblick schellte das Telefon, und Seepferdchen stand erneut auf. Sie sagte: »Ja?«, und hörte zu. Dann meinte sie: »Richten Sie den Herren aus, daß ich etwa zehn Minuten brauche. Ich habe nichts an.«
Sie legte wieder auf. »Ihr müßt gehen, Kinder. Unten in der Halle warten zwei Leute. Ein gewisser Meier vom Bundesnachrichtendienst und ein gewisser Tom Becker von der CIA. Sie haben schon versucht, mich in Berlin zu erwischen, aber ich bin ihnen durch die Lappen gegangen. Wie können die wissen, daß ich hier bin?«
»Passagierlisten in Tegel. Aufnehmen durch Fahnder in Bonn, stete Verfolgung hierher. Aber dann wissen sie längst, daß wir hier sind.« Ich schlug verärgert auf den Tisch. »Ich hätte das wissen müssen, verdammt noch mal.«
Annalena grinste etwas verkniffen. »Es wäre gar nicht gut, sich den Gedankengängen dieser paranoiden Zeitgenossen hinzugeben. Bleiben Sie normal, junger Mann. Nehmen Sie diese Frau, und gehen Sie durch einen Hintereingang raus. Haben Sie eine Karte?«
»Ich habe eine.« Ich reichte sie ihr. »Kommen Sie ganz einfach, wann Sie Zeit haben. Irgend jemand wird da sein. Mein Haus ist Ihr Haus.«
Sie nickte geistesabwesend. »Wir können nicht mit diesen Leuten konkurrieren. Die werden uns überall auftreiben und uns ständig am Hintern hängen. Deshalb wäre es gut, wenn wir alle das gleiche Motiv hätten, weshalb wir uns hier herumtreiben, und ...«
»Die Wahrheit.« Germaine war ganz leise. »Er war unser Freund, er wurde umgebracht, jetzt sind wir hier, um mit anderen Freunden zu sprechen und ihn zu Grabe zu tragen. Oder? Oder?«
»Das ist sehr gut«, sagte das Seepferdchen namens Annalena. »Wir sollten ihnen unerbittlich den Arsch aufreißen.« Sie zuckte zusammen und hörte ihren Worten nach. »Ich war zu lange mit Soldaten zusammen. Nun haut schon ab.«
Wir folgten dem üblichen grünen Schild, das den Hotelgästen im Falle der Katastrophe anzeigte, wo sie den Weg ins Freie finden konnten. Wir beeilten uns nicht, wir schlenderten, und selbstverständlich rechneten wir damit, daß auf dem Parkplatz irgend jemand von Tom Beckers Leute in einem Auto hockte. Sammy zum Beispiel.
Er war tatsächlich da, hockte in einem BMW der Fünfer-Serie und starrte uns aufdringlich an. Wenn ich den Ausdruck in seinen Augen deuten sollte, hätte ich
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