Eifel-Feuer
schnaufte dabei wie ein Walroß. Dann brach er ein Stück Bitterschokolade ab und steckte es sich in den Mund. Es folgten ein Schlückchen Kognak und schließlich ein Schluck Kaffee. Ich habe nie begriffen, ob er das alles im Mund mischte oder aber getrennt den Hals hinunterschaffte. Zumindest machte er ein Gesicht, als halte er sich vorübergehend im siebten Himmel auf. Dann räusperte er sich. »Nun berichte mal, was der Fall ist, wie er aussieht.«
»So nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Erst will ich wissen, wieso du ins Brüder-Krankenhaus nach Trier gegangen bist. Dann will ich wissen, was du dir dabei gedacht hast, einfach zu verschwinden. Wieso hast du Emma im Stich gelassen, verdammt noch mal?«
»Keine Antwort. Das sind intime Fragen. Sie betreffen mein Seelenleben und gehen nur mich etwas an.« Er wirkte verärgert.
»Von wegen intim«, höhnte ich. »Emma taucht hier auf und ist irre vor Furcht. Ich brauche dich für diesen Fall, und du bist einfach verschwunden.«
»Du hast Dinah ...« Er stockte. »Entschuldige, nein, du hast sie nicht.«
»Eben. Sie ist abgehauen, um sich selbst zu finden oder so was. Was sollte dein Ausflug nach Trier?«
»Darüber will ich nicht diskutieren!« Er hatte ein Steingesicht.
»Verdammt noch mal, wir sind Freunde. Ich will das wissen.«
»Also gut, ich fühlte mich nicht wohl. Da bin ich ins Krankenhaus gegangen, um mich untersuchen zu lassen.«
»Verdammte Scheiße! Du warst impotent und wurdest damit nicht fertig. Das kann ich verstehen. Aber Impotenz im zarten Alter von über Sechzig ist ja nichts Besonderes. Das kommt vor. Dann aber zu glauben, du hättest den verdammten Krebs wieder, überzeugt zu sein, nun müßtest du sterben – das ist ja wohl irre!« Ich brüllte mittlerweile, und ich zügelte mich nicht. »Du hast Freunde, und die machen sich Sorgen. Und du hast, verdammt noch mal, nicht das Recht, so zu tun, als seien diese Freunde einfach nicht vorhanden.«
»Welche Rechte ich habe und welche nicht, entscheide ich«, brummte er patzig.
»Man sollte dir den Arsch versohlen«, sagte ich.
Er konnte mich nicht ansehen, er konnte seine Hände nicht ruhighalten. »Du bist ganz schön scharf.«
»Rodenstock!« brüllte ich. »Wenn dein Schwanz versagt, heißt das nicht, daß der alte Mann da oben dich abberufen will. Das heißt lediglich, daß irgend etwas dir Kummer macht, daß du vielleicht Angst hast. Und Emma will doch nur, daß du darüber mit ihr redest. Oder hast du Angst, ihr ein Kind zu machen?«
Er bekam kugelrunde Augen. »Die Frau ist weit über...«
»Fünfzig«, nickte ich. »Aber ihr seid so blöde, daß euch das sogar gelingen könnte.« Dann mußte ich lachen.
Rodenstock paffte gewaltige Qualmwolken, und als er die Tasse hob, um Kaffee zu trinken, schwappte sie über. Dann versuchte er, unfallfrei einen Schluck Kognak zu nehmen. Auch das mißlang, der Kognak tropfte eine Bahn auf den Tisch. Er hatte einen verbissenen Mund, und natürlich wollte er keinerlei seelische Regung zeigen.
»Du bist ein Arsch«, murmelte ich. »Zu deiner Beruhigung: Ich war auch schon impotent. Mehrmals. Bei mir waren es Bilder, die ich gesehen habe. Tote Frauen und Kinder im Krieg, etwas in der Art. Da war ich so impotent, daß ich meinen eigenen Namen vergessen hatte.«
»Aber das ist doch furchtbar«, stotterte er. »Du hast dich dein Leben lang auf den Eumel verlassen, und nun regt er sich nicht mehr, hängt in den Seilen ...« Irgend etwas schien ihn plötzlich zu erheitern. Glucksend begann er zu lachen, und etwas vom alten Rodenstock tauchte auf und machte mich sehr zufrieden.
»Na also«, murmelte ich. »Und jetzt erzähle ich von dem Fall.«
»Hol Emma dazu«, sagte er. »Sonst müssen wir alles zweimal durchkauen.«
Also holten wir Emma und Germaine, und ich begann zu erzählen. Sicherlich brauchte ich mehr als eine Stunde, um klarzumachen, daß alles Mögliche am Tod des Ravenstein im Grunde nicht rätselhaft war, sondern die Folge irgendwelcher Ereignisse, die wir noch nicht kannten.
»Eine Geschichte mit tausend losen Enden«, murmelte Rodenstock. »Was wir auch tun, wir müssen gegen die Geheimdienste agieren. Und das ist beinahe aussichtslos.«
»Es geht noch weiter«, sagte ich. »Wenn du in den Fall hineingehst, kannst du dich unter Umständen um deine Pension bringen. Du bist immer noch Beamter, sie können dir verbieten, dich darum zu kümmern.«
Er nickte. »Das können sie. Aber ich mache trotzdem mit. Germaine, ich duze dich
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