Eifel-Filz
Geschäft gibt es in dieser Milchstraße nicht mehr«, erklärte Charlie voller Verachtung. »Vielleicht noch hier und da in alten Mafiakreisen, aber die sind so gottverdammt elitär, daß sie dich niemals reinlassen, es sei denn, du hast ein paar gemeinsame Leichen im Keller.«
»Hast du Leichen im Keller?«
Er kicherte wieder hoch. »Selbstverständlich, Baumeister. Aber ich werde dir ihre Namen nicht sagen. Was ist? Schreibst du meine Memoiren?« Er wollte das Gespräch beenden.
»Sagst du mir Bescheid, wenn du irgend etwas erfährst?«
»Sicher«, nickte er milde, wobei klar war, daß er allein entscheiden würde, ob und was er mir sagte. Er war ein kleiner, fetter, sehr mächtiger reicher Mann, runde sechzig Jahre alt und kaum zu überlisten. Das alles wußte er sehr genau.
Vom Hohen Venn her blies ein kühler Wind, der Winter kämpfte gegen die Sonne. Klunkerchen kam in einem mausgrauen Trainingsanzug um die Ecke und winkte aufgeregt. Sie sah aus wie eine Sozialhilfeempfängerin, die die Hoffnung aufgegeben hat, das Leben zu treffen. Aber sie war ausgesprochen guter Dinge, und alles an ihr bebte und wogte. Sie war so dick wie ihr Mann und ebenso angriffslustig, und man sagte, sie bei schlechter Laune anzutreffen sei unwahrscheinlicher als ein Lottogewinn.
»Baumeisterchen, wie steht es um die Morde? Verrat mal, was du weißt.«
»Sie sind tot, mehr weiß ich auch nicht. Was erzählen deine zahllosen Schwestern, alle die Wißbegierigen?«
Sie hatte plötzlich ein kummervolles Gesicht. »Liebe, sehr viel Liebe – aber aussichtslos. Irgendein Schwein hat es gemacht. Die meisten tippen auf einen bezahlten Killer, weil es so grausam gelaufen ist. Ich mochte den Pierre irgendwie. Er war ein Filou, aber ein guter. Der Mann von der Heidelinde scheint ein ganz Cooler zu sein. Möglich, daß der dahinter steckt. Es ist irgendwie blödsinnig, die Hauptdarsteller abzumurksen. Das Stück ist dann zu Ende. Was sagt mein Charlie?«
»Das meiste, was er weiß, sagt er nicht.«
»So ist er nun mal. Hast du dich mal mit Pierre oder Heidelinde unterhalten?«
»Niemals«, sagte ich. »Andere Welten. Und du?«
»Ich habe mal mit ihr ein Stück Torte gegessen. Im Clubhaus. Sie war aber ziemlich schweigsam. Damals waren sie gerade aus Hawaii zurück und schwammen im Glück.«
»Sie waren in Hawaii?«
»Ja, wußtest du das nicht? Also, sie waren zusammen in Hawaii. Wie ich so mit ihr Kuchen esse, kommt Piere um die Ecke und sagt ganz versunken, mehr zu sich selbst, was H. J. U. wohl sagen würde, wenn er das wüßte. Dann sah er mich und schwieg natürlich.«
»Wer ist H. J. U.?«
»Wahrscheinlich sein Chef, Hans-Jakob Udler.«
»Wann war denn der Hawaii-Trip?«
»Im Sommer vor einem Jahr, als alles anfing. Stimmt die Sache mit dem Wasserbett mitten im Wald?«
»Ich weiß es nicht, das wird überprüft. Hast du eine Ahnung, warum dein Mann sein Geld aus der Kyllheim-Geschichte genommen hat?«
»Ich weiß nur, daß er in solchen Sachen einen Riecher hat. Und meistens hat er recht.«
»Ruf mich an, wenn du etwas erfährst.«
»Mache ich«, nickte Klunkerchen, und sie würde es wohl wirklich tun.
»Noch eine Frage. Haben die beiden Hawaii damals hier gebucht, also in der Eifel?«
»Das weiß ich nicht, aber das ist doch egal.«
»Das ist nicht egal«, sagte ich. »Mach es gut. Weißt du, ob Walburga zu Hause ist?«
»Weiß ich nicht. Aber sie hat bestimmt wie immer Migräne. Es ist wurscht, ob ihr ein Liebhaber abhaut oder das Heizöl zu spät kommt: sie hat Migräne.«
Ich brauste los Richtung Walburga, von der erzählt wurde, sie habe mit großem Erfolg vier sehr reiche Männer überlebt und sei dabei immer vergnügter geworden. Sie mußte ebenfalls an die Sechzig sein, war gute zehn Zentimeter größer als ich und hätte bei den ollen Römern sicher den Spitznamen ›Faba‹ geführt, was Bohnenstange heißt. Kein Mensch wußte, warum sie Mitglied im Golfclub war, denn Golfspielen war nicht ihre Sache, weil sie den Ball zu ihren Füßen nicht mehr erkennen konnte. Sie spielte trotzdem eine gewichtige Rolle im Club, und niemand traf eine wirklich wichtige Entscheidung, ohne Walburga zu hören. Es ging die indiskrete Sage, daß sie mindestens zwei Herren aus dem Club eine Weile in ihrem Bett besichtigt und ihnen zudem Kredite zu enorm günstigen Zinsen zugespielt hatte. Ob das der Wahrheit entsprach, wußte keiner genau, aber derartige Gerüchte sind so edel, daß Wahrheitsgehalte keine Rolle spielen.
Ich
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