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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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fuhr also die B 258 zurück Richtung Blankenheim und bog in Sistig nach Nettersheim ab. Walburga hatte ein ziemlich umfangreiches altes Gasthaus gekauft und umrüsten lassen, was heißt, daß sie mindestens zwanzig Gästezimmer in jeweils verschiedenen Farben installiert hatte. Kein Mensch verstand, warum sie so scharf auf Gäste war und das Haus ständig voll hatte, denn sie ging mit ihren Gästen um wie ein Dorfschullehrer um 1900 mit den Erstkläßlern.
    Das Haus war ein Granitbau und wirkte abweisend. Auf dem Kies davor standen mindestens fünfzehn Autos der oberen Klasse, und es war totenstill. Jemand hatte erzählt, Walburga zwinge ihre Gäste täglich zu Bridgepartien und niemand mogele so offensichtlich wie sie, aber es sei streng verboten, das zu merken.
    Ich schellte, und es rührte sich nichts. Die Tür war offen, also trat ich ein. Es roch intensiv nach Bohnerwachs, und der Holzboden spiegelte so extrem, daß man auf die Idee kommen konnte, man habe seine Schlittschuhe vergessen.
    »Hallo!« rief ich.
    Jemand erwiderte betulich: »Hallo«, und kam herbeigeschlurft. Es war ein sehr alter dürrer, lächelnder Mann, der sich vor mir aufbaute, sich nach vorn beugte wie ein Japaner und ergeben murmelte: »Ich bin Hansi, einer ihrer Verblichenen.«
    »Ich bin Baumeister. Wo ist sie denn?«
    »Sie hat eine neue Allergie entdeckt. Es sind Ärzte bei ihr. Fünf oder sechs, was weiß ich. Das wird eine Weile dauern.«
    »Ich habe keine Weile Zeit. Können Sie ihr ausrichten, Baumeister ist hier und es geht um den Pierre?«
    »Ich versuche es«, sagte er wildentschlossen.
    Ich hockte mich in einen alten schwarzgelackten Stuhl, der irgendwann im Mittelalter vermutlich als Folterinstrument gedient hatte.
    Es dauerte ungefähr zwanzig Minuten, dann kam Walburga, weiß in Seide, steif wie ein Stock, die Treppe hinunter, geführt von einem etwa zwanzigjährigen jungen Mann mit sehr hellen Augen, der so aussah und sich so gebärdete wie die, die man bei den alten Griechen Epheben genannt hatte. Er ging leicht seitlich hinter ihr und bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, als sei jede Stufe für seine Schutzbefohlene ein lebensgefährliches Hemmnis.
    »Herr Baumeister«, stellte Walburga mit tiefer Stimme fest. »Ich vermute, Sie wollen mir Fragen stellen, die ich ohnehin nicht beantworten kann.«
    »Ich habe eigentlich nur eine Frage«, erklärte ich. Der junge Gott machte mich unsicher. Er hatte so einen Ausdruck totaler Verachtung in den Augen.
    »Fragen Sie ruhig«, nickte Walburga und erreichte die unterste Stufe.
    »Das geht nicht«, sagte ich stur. »Es ist vertraulich. Es geht Sie an und mich und niemanden sonst.«
    Der junge Gott erstarrte.
    »Ich will mir keinen Hundertmarkschein pumpen«, beruhigte ich ihn.
    Der junge Gott rührte sich nicht, und Walburga lächelte maliziös. »Er würde wirklich nichts annehmen.«
    »Ich bleibe lieber«, bekannte der junge Gott.
    »Es ist aber eine Vorstellung für Erwachsene«, sagte ich.
    Der junge Gott war sehr beleidigt. »Walburga«, klagte er, »wir haben ausgemacht, daß ich dich beschütze. Immer.«
    »Nun hör mal eine Weile auf damit«, meinte sie zärtlich.
    Ich hatte einen Feind fürs Leben gewonnen. Er schlich die Treppe hinauf wie Waldemar, des Försters Dackel, der nicht mit auf die Jagd darf.
    »Legen Sie los«, sagte Walburga. Sie blieb stehen.
    »Ich war bei Charlie und Klunkerchen«, begann ich. »Sie wissen nichts, oder sie sagen nichts. Das ist auch in Ordnung. Klunkerchen erzählte nur, Pierre Kinn und Heidelinde Kutschera seien zusammen in Hawaii gewesen und...«
    »Das ist richtig«, nickte sie. »Vier Wochen. Was ist daran schrecklich? Sie liebten sich, sie wollten irgend etwas neu beginnen, sie hatten eine Chance. Da ist Hawaii doch wunderhübsch, nicht wahr?«
    »Das ist richtig«, sagte ich. »Aber...«
    »Sehen Sie mal, Baumeister«, unterbrach sie mich nachdenklich, »es ist doch so im Leben. Erst sind wir arm und sparen, dann sind wir gesättigt und sparen noch immer. Dann begreifen wir, daß wir nichts vom Sparen haben. Dann hängen wir uns die Klunker auf die welke Haut und hoffen auf ein Wunder, nicht wahr? Pierre und Heidelinde waren jetzt jung, und sie brauchten Hawaii jetzt, nicht irgendwann. Ist das so schwer zu verstehen?«
    »Durchaus nicht«, murmelte ich. Sie war eine kluge Frau. »Es stellt sich nur eine Frage. Sie waren beide verheiratet, hatten beide Kinder, und sie verdienten gut. Aber wer, um Gottes willen, kann dreißig- oder

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