Eifel-Filz
wußte.«
»Wir haben einen dritten Toten«, berichtete Rodenstock. »Die gleiche Tötungsart. Ein alter Witwer, ein Bauer, der zwischen dem Golfplatz und Birgel neben einem Waldweg gefunden wurde. Der Mann war über Siebzig. Vermutlich mußte er sterben, weil er dem Mörder begegnete.«
»Stimmt der Zeitpunkt?« fragte ich.
»Exakt«, nickte Rodenstock. »Gestern abend, etwa gegen 18 bis 20 Uhr.«
»Sind Reifenspuren gefunden worden? Das Genie Wolf müßte doch irgend etwas entdeckt haben.«
»Hat er«, bestätigte er. »Der Mörder hat etwas genial Einfaches gemacht: Er hat Schneeketten aufgezogen. Es ist unmöglich, auch nur den Hauch einer Reifenspur zu bestimmen.«
»Es wird immer perfekter.«
»Das schon«, meinte er. »Aber es zeigt auch Risse. Es zeigt dir, daß die Liebesgeschichte nicht so wichtig war. Es muß ein ganz anderes Motiv geben.«
»Aber Liebe ist doch ein schönes Motiv«, murrte die Soziologin.
»Richtig«, fand ich. »Fast zu schön, um wahr zu sein. Ich erzähle mal, wenn ich darf. Ich habe nämlich Nachrichten aus Hawaii.«
»Nur zu«, ermunterte mich Rodenstock. »Oder sollen wir Wiedemann dazu holen? Dann brauchen Sie es nicht zweimal zu berichten.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte ich. »Sagen Sie mal, kann eine Soziologin kochen?«
Dinah Marcus strahlte mich an. »Die hier nicht. Ich würde Ihnen auch nicht raten, das herausfinden zu wollen. Ich habe bereits ganze Familien auf die Intensivstation gekocht.«
»Die großen deutschen Hausfrauenwerte zerfallen!« seufzte Rodenstock. »Was ist, wenn wir zu Wiedemann ins Hotel gehen?«
»Gute Idee«, meinte die Soziologin. »Ich habe seit gestern nichts Vernünftiges mehr gegessen.«
»Das hebt die Figur«, sagte ich. »Liegt die Jagdhütte einsam?«
»Total. Kein Mensch kann im Grunde kontrollieren, wer ein- und ausgeht. Nachts, das habe ich herausgefunden, kann man von der Ortschaft aus nicht mal die Scheinwerfer der Autos sehen. Das liegt daran, daß die Hütte oberhalb eines Hohlwegs liegt und ganz verstellt ist von jungen dichten Hainbuchen. Und außerdem sagte eine alte Frau, spukt es da oben.«
Wir fuhren also nach Hillesheim ins Augustiner Kloster. Wiedemann war anfangs sehr muffig, weil er zum Umfallen müde war.
Ich berichtete, was ich herausgefunden hatte, und verschwieg nichts.
Wiedemann schickte sofort zwei seiner Leute aus zu Charlie und Walburga. Er murmelte: »Die Hütte hat Zeit bis morgen.«
Wir aßen lustlos etwas, das den Namen Hirschgulasch trug und fade schmeckte. Dann trennten wir uns.
»Haben Sie zufällig Vivaldis Vier Jahreszeiten?« fragte Rodenstock, als wir wieder zu Hause waren.
»Habe ich.« Ich schob die CD ein.
Die Soziologin hatte sich vor den Fernseher gesetzt, die Kopfhörer übergestülpt und sah Nachrichten. Nach einer Weile zupfte ich die Kopfhörer beiseite und fragte: »Ist das Schloß kompliziert?«
»Nicht sehr«, antwortete sie nicht im mindesten überrascht. »Es ist ein dickes Vorhängeschloß. Wenn Sie vielleicht einen Seitenschneider haben?«
»Habe ich«, sagte ich.
Rodenstock wollte nicht mit uns fahren. Er meinte, auch ein pensionierter Beamter dürfe nicht so ohne weiteres irgendwo einbrechen. »Aber ich verpfeife euch nicht.«
Wir luden also die Werkzeugkiste in den Jeep und machten uns auf den Weg. Wir fuhren über Lissendorf, Steffeln, Schwirzheim auf die B 51 und dann über die Schnellstraße an Prüm vorbei.
»Wie kann man um Gottes willen mit Ihrem Beruf in der Eifel hängen?«
Die Soziologin kicherte. »Ich wollte mich selbst entdecken. Jetzt fahre ich für den Erzbischof in Trier die Bistumszeitung aus, beaufsichtige am Wochenende Mehrfachsüchtige in einer Klinik und denke darüber nach, wer ich bin. Im Ernst, es gefällt mir, aber es ernährt mich nicht. Ich will unbedingt eine Spur erwachsener werden und rausfinden, ob ich das will. Ist das schwer?«
»Ich weiß es nicht genau. Ich bin noch nicht erwachsen. Jemand hat mal depressiv geäußert: Wenn wir erwachsen geworden sind, ist es Zeit, sich auf den Tod vorzubereiten. Vielleicht findet man deswegen so wenig Erwachsene.«
»Wenn Sie diese Geschichte schreiben, haben Sie dann einen Abnehmer?«
»Ja, habe ich.«
»Kann man davon leben?«
»Manchmal ja, manchmal nein. Man tut gut daran, einen Gemüsegarten zu haben und eine Ecke für Kartoffeln.«
»Meine Eltern hatten früher Karnickel. Ich kann keine Karnickel mehr sehen. Und ich hasse Koteletts aus der Tiefkühltruhe. Aber wir leben sowieso
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