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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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giftgrünen oder grellroten Jeans über handgenähten Schuhen aus London, die er bei jeder Gelegenheit von den Füßen streifte, weil er meinte, sie zu tragen, sei Buße für das ganze Leben.
    Noch niemals hatte irgendein Mensch Charlie richtig arbeiten gesehen, er verfügte auch nicht über ein büromäßiges Gelaß. Das einzige, was er brauchte, war sein Telefon. Er notierte nie etwas, und böse Zungen behaupteten, das sei auch nicht möglich, denn er sei ein Analphabet. Leute, die ihn ernstnahmen, und deren Zahl überwog, stellten lapidar fest, er vergesse niemals etwas, weshalb er auch den Beinamen ›der Elefant‹ trug.
    Von Charlie stammt die beste Definition des Kapitalismus, die ich je gehört habe. Eines Tages lärmte er volltrunken im Clubhaus des Golfplatzes, richtete sich mit wäßrigen Augen über die normalen 160 Zentimeter Körpergröße auf und erklärte in seiner unnachahmlich schlunzigen rheinischen Sprechweise, die mich an Heinrich Böll erinnerte: »Also, ich bin ein beschissener Kapitalist, wenn ich ein Hotel in die Eifel baue und dann hoffe, daß irgendein Reisender in Damenunterwäsche vorbeikommt und nach den Zimmerpreisen fragt. Aber wenn ich dreißig Männergesangvereine und den Hauptbetriebsrat von VW in Wolfsburg dazu kriege, ihre Kegelpartien und Jahresausflüge in meinem Hotel zu verbringen, küßt mir die Deutsche Bank den Arsch und kriecht vor Demut unter dem Teppich her. Dat, meine Damen und Herren, is Kapitalismus!«
    Charlie, auch das war sicher, mischte in dem Hotel- und Badekomplex in Kyllheim mit, und sicherlich geschah nichts Wichtiges ohne ihn und sein Telefon.
    Er hatte einen alten Bauernhof gekauft, der hinter einer haushohen Hecke aus Hainbuchen stand und so außerordentlich heimelig wirkte, als hätte Walt Disney ihn bauen lassen. Ein wenig abseits auf einem Rasenfleck standen ein Maserati und ein Mercedes S, weil Charlie niemals etwas anderes fuhr und von BMW behauptete, das seien Autos für Neureiche. Den Autos nach zu schließen, mußte er also vorhanden sein, wenngleich auch das Gerücht ging, er habe vor jedem Haus einen Maserati und einen Mercedes stehen.
    Ich läutete und faßte energisch an die Türklinke. Es war allerdings keine Klinke, es war ein etwa zwei Kilogramm schwerer Amethystklumpen, und wahrscheinlich hatte nicht Charlie ihn anbringen lassen, sondern seine Frau, die im Golfclub auch gemeinhin ›Klunkerchen‹ genannt wurde, was durchaus zärtlich gemeint war.
    Ein junges weibliches Wesen in einem strengen mittellangen schwarzen Kleidchen mit weißer Schürze und entzückend gestärktem Häubchen öffnete mir.
    »Ich bin der Baumeister, ich muß dringend zu Charlie.«
    Das erstaunte sie nicht weiter. Sie sagte: »Ich frage nach«, und ließ mich stehen. Dann erschien sie wieder: »Rechts die Treppe runter, geradeaus. Er ist in der Sauna.«
    »Das riskiere ich.« Ich folgte ihren Anweisungen und mußte husten, als ich in den Nebel stolperte. Ich sah nichts, und augenblicklich begann ich zu schwitzen.
    »Du ziehst dich am besten aus, Jung«, sagte Charlie von irgendwoher.
    »Mache ich«, keuchte ich und tastete mich wieder hinaus. Ich zog mich aus und griff erneut an. »Charlie, ich komme wegen Pierre Kinn und Heidelinde Kutschera. Weißt du von ihrem Schicksal?«
    »Na, sicher weiß ich dat. Ach, Baumeisterchen, wieso hast du auch so ein Scheißgewerbe? Du solltest meine Memoiren verfassen. Ja, Mensch, wie wäre es damit? Du schreibst meine Memoiren, ich bezahle dich gut. Aber ja, also der Pierre. Du hast sie gefunden, nicht?«
    »Nicht ich, sondern Erwin.«
    »Die Frau war allererste Sahne.« Charlie grunzte. »Aber es geht eben nicht an, daß jemand rumbumst und seine Kinder vergißt. Geht einfach nicht. War der Ehemann der Täter?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Glaubst du, es könnte jemand aus dem Club gewesen sein?«
    »Sehr unwahrscheinlich«, entschied er. »Der Pierre Kinn war ein lustiger Typ, immer gut drauf. Na sicher, er weiß eine Menge über ein paar Clubmitglieder, schon wegen seines Berufes. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß jemand hingeht und ihn mit einer Armbrust umlegt. Und die Frau gleich dazu.«
    »Wieso weißt du das mit der Armbrust?«
    »Seit einer Stunde. Die Vögelein haben es mir berichtet. Armbrust stimmt doch, oder?«
    »Im Ernst, wer hat es dir gesagt?«
    »Da ist jemand im Morddezernat, der mal Wirtschaftssachen gemacht hat. Der ist mir was schuldig. Versuch nicht, ihn rauszukriegen. Was

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