Eifel-Filz
oder?«
»Ja, zwei, drei«, sagte der junge Mann.
Wiedemann zeigte ihm seine Marke. »Schreiben Sie die Namen auf, und schweigen Sie gegenüber jedermann.«
»Ach so, ja«, meinte der junge Mann verwirrt. »Von denen schießt aber doch keiner... ach, du lieber Gott.« Er hatte verstanden.
»Wir schreiben schnell den Hersteller an«, schlug Rodenstock vor. »Dann können wir so ein Ding kriegen. Es ist ganz einfach: der Täter schoß und sammelte die beiden Pfeile wieder ein.«
»Ich müßte mich aber noch erkundigen«, sagte der Verkäufer zaghaft. »Ich weiß manchmal nur die Vornamen.«
»Dann tun Sie das«, lächelte Wiedemann. »Ich schicke morgen jemanden vorbei. Und bemühen Sie sich bitte um jeden Käufer.«
Wir gingen hinaus in die Sonne.
»Das entlastet den bogenschießenden Ehemann aber nicht«, erklärte Wiedemann.
»Und das Alibi?« fragte ich.
»Das Alibi scheint wasserdicht«, gab Wiedemann zu. »Eigentlich zu dicht. Noch nie hat sich der Mann mit der Frau des anderen getroffen. Aber ausgerechnet gestern abend mußte er das tun. Und gleich über viele Stunden.
Irgend etwas riecht. Aber ganz dringend, Baumeister: Nicht schreiben, keine Informationen weitergeben. Versprochen?«
»Na sicher«, sagte ich. Einige Sekunden war ich versucht, ihm von der Jagdhütte zu berichten. Aber ich ließ es sein. Ich kenne die Vorgaben einer Mordkommission in bezug auf Medienleute sehr genau, und Wiedemann war bisher mehr als großzügig gewesen. Nicht etwa, weil ich der Baumeister war, sondern ein Freund des alten Rodenstock. Es konnte geschehen, daß er von einer Sekunde zur anderen zuklappte wie eine Auster – und es würde geschehen. Irgendwann würde er entsetzt begreifen, daß er ausgerechnet einen Journalisten zum Vertrauten gemacht hatte. Keiner von ihnen kann das vertragen.
»Gehen wir ein Eis essen?« fragte Rodenstock unternehmungslustig.
»Ich nicht«, sagte Wiedemann. »Ich habe Schicht.«
Also mummelte ich brav ein Eis mit Rodenstock, ehe wir uns auf den Heimweg machten.
Im Wagen fiel ihm plötzlich ein: »Dieser Tote ist also Banker, und die Liebesgeschichte lief zwei Jahre. Beruflich muß er schon längst tot gewesen sein, oder?«
»Das war er durchaus nicht«, erzählte ich. »Im Gegenteil, er zog das Lieblingskind des Sparkasssenchefs durch: Ein sogenanntes Erlebnisbad namens Tropicana mit Restaurant, Hotel und allen Schikanen. Angeblich hat er dem Bankboß seine Kündigung angeboten, angeblich hat der Bankboß gesagt: Deine Liebesgeschichten gehen mich nichts an, und...«
»Das ist doch verlogen«, dröhnte Rodenstock.
»Sie sagen es. Was passiert mit einem Banker, der so eine Affäre hat?«
»Banken sind konservativ. Mag sein, daß ein Banker in der Großstadt mit einer solchen Affäre eine Weile leben kann. Hier auf dem Land ist das unmöglich. Er kann sich scheiden lassen und die Geliebte heiraten. Dann kommt er mit schweren Schürfwunden davon. Die Regel ist aber, daß er beruflich aufgeben muß. Wir sollten uns also gelegentlich fragen, wieso Pierre Kinn noch Banker war, als er starb.«
Rodenstock richtete es sich in seinem Autositz gemütlich ein und starrte hinaus in den Wald. »Vielleicht«, sagte er nach einer Weile tonlos, »vielleicht konnte dieser Pierre gar nicht entlassen werden und wurde deshalb erschossen.«
Drittes Kapitel
Rodenstock stellte fest, daß er müde sei, und verschwand in seinem Bett. Ich nahm an, daß die unternehmungslustige Soziologin noch eine Weile brauchen würde, und machte mich auf die Reise zu Charlie.
Charlie residierte zur Zeit in seinem Haus in Monschau, wobei nicht klar war, ob dieses Haus überhaupt noch sein Eigentum war. Charlie besaß dem Vernehmen nach rund zehn Häuser, von Nizza über Rom bis zu den kleinen Antillen, Köln und der Eifel. Er ließ die Häuser munter rotieren, verkaufte mal eines an einen Kumpel, dann wieder an sich selbst, dann wieder überschrieb er es seiner Frau – das richtete sich danach, wieviel Bares er brauchte. Es war durchaus vorgekommen, daß er an einem Tag drei Mietshäuser kaufte, am nächsten Tag total Pleite war und sich das auch notariell beglaubigen ließ. Wiederum einen Tag später setzte er locker seine Unterschrift unter einen Wechsel über zwei Millionen, und der Wechsel platzte nicht. Charlie, das war ganz sicher, war der absolute Schrecken aller Finanzämter.
Charlie trug ständig, selbst in den Heiligen Hallen zu Bayreuth, Jeanshemden und darüber eine Weste aus Hermelin, das Ganze zu
Weitere Kostenlose Bücher