Eifel-Filz
Dinah, Rodenstock, Wiedemann und Charlie. Offensichtlich hatten sie sich die Köpfe heißgeredet, denn sie wirkten erleichtert, als ich hereinplatzte.
»Ich habe eine Menge Neuigkeiten«, berichtete ich. »Was habt ihr?«
»Ein Video«, sagte Rodenstock. »Ich führe es mal vor, damit Sie sehen, welch ein sittenloser Sumpf die Eifel sein kann.«
Die Soziologin und der Wiedemann sahen sich an und begannen zu kichern.
Charlie meinte wegwerfend: »Was heißt so ein Streifen schon? Soll doch jeder seinen Spaß haben. Was sind wir denn so engstirnig?« Er hatte ein Glas Pflaumenschnaps neben sich stehen und wirkte sehr entspannt und heiter.
Das Video lief an. Zu sehen war zunächst eine Frau in schwarzen Strapsen. Die Frau war aufregend langbeinig und schön. Schwarzhaarig und hartkantig geschminkt wirkte sie ein wenig wie ein Tier. Sie hatte eine Peitsche in der Hand, eine kurzstielige Peitsche mit einer sehr langen, dünnen Schnur. Sie befahl mit einer sehr tiefen Stimme: »Komm her und gehorche!« Dann folgte eine helle, farbenschillernde Unterbrechung. In der nächsten Einstellung saß sie auf einem vollkommen nackten Mann, der auf Händen und Knien kroch. Er lachte, kreischte, grölte: »Das ist ein Ritt, das ist ein Ritt!« Der Mann mochte um die Fünfzig sein, und er drehte der Kamera den Rücken zu. Diese Einstellung blieb ungefähr zwei Minuten, dann folgte Schneetreiben.
»Das ist alles«, sagte Rodenstock. »Wer ist die Frau, und wer ist der Mann?«
»Der Mann ist der Sparkassenboß Hans-Jakob Udler«, stellte ich fest.
»Oh weia«, Wiedemann ruckte in seinem Sessel nach vorn. »Wenn Kinn und die Kutschera dieses Band in Besitz hatten, dann wissen wir auch, weshalb Kinn nicht längst gefeuert war. Dann haben sie Udler erpreßt oder zu erpressen versucht. Das sieht böse aus für Udler.«
»Ich habe noch etwas«, berichtete ich. »Udler hatte seit langem einen Nachfolger für Pierre Kinn. Der Mann heißt Glauber und arbeitet in der Raiffeisenkasse in Cochem. Man sagt, der Mann sei eiskalt, ein Karrierist. Kinn wußte von diesem Nachfolger und hat sich nicht im geringsten irritiert gezeigt. Im Gegenteil, er hat seinem Vater gesagt, er habe die Situation voll im Griff.«
»Charlie«, fragte Wiedemann, »könnte das Ihrer Meinung nach für Udler ein Grund sein, Kinn zu töten?«
»Niemals«, sagte Charlie energisch. »Das ist doch Blödsinn, das ist doch nicht mal das Schwarze unterm Fingernagel wert. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn gesoffen wird, dreht jeder mal durch und tut Dinge, die er normalerweise nicht tut. Was soll das? Was beweist dieses Filmchen? Nichts beweist es. Ich sage euch: Udler ist ein fähiger Banker, der die Sparkasse hochhält und ihren Einfluß sichert, der gute Entscheidungen trifft.«
»Charlie, das stimmt so nicht«, widersprach ich. »Pierre Kinn hat gesagt, Charlie ist mein Freund. Charlie braucht mich. Wieso hat dieser Sparkassenpopel dich gebraucht, Charlie? Du bist ein Mann mit viel Geld, und der Pierre war bestenfalls Bote. Wieso brauchst du ihn?«
Charlie kniff die Augen zusammen. »Hat er gesagt, er braucht... ich brauche ihn? Wieso sollte ich ihn brauchen? Wozu? Finanziell knipse ich dem pro Sekunde einmal das Licht aus. Wieso sollte ich ihn brauchen? Vielleicht war er besoffen?«
»Pierre Kinn trank kaum etwas!« entgegnete ich.
»Der Vater muß das mißverstanden haben«, sagte Charlie angewidert. »Jeder weiß was, jeder will mitreden, keiner hat Ahnung. Das ist in der Eifel gemeingefährlich. Ich sage euch, es war eine Liebesgeschichte, sonst nichts.« Er stand auf. »Nehmt es mir nicht übel, aber ich habe heute abend Gäste. Wenn ich helfen kann – jederzeit.« Charlie ging hinaus.
»Er wäre durch ein solches Filmchen nicht erpreßbar«, knurrte Rodenstock. »Was machen wir jetzt mit Udler? Ist er unser Mann?«
»Das kann sein«, überlegte Wiedemann. »Aber es ist nicht zwingend. Vielleicht ist er von Kinn und der Kutschera erpreßt worden – obwohl das eigentlich, verdammt noch mal, nicht in mein Bild paßt. Aber etwas anderes.« Er bewegte sich unruhig. »Mir gefällt dieses Setting hier nicht.«
»Dieses was?« fragte Dinah.
Rodenstock grinste säuerlich. »Mein Kollege Wiedemann ist Beamter und Mitglied einer Mordkommission. Er kann seine Gedankengänge hier nicht bloßlegen, und er kann auf keinen Fall zulassen, daß sozusagen Zivilisten ihre Überlegungen dazu beisteuern. Mit anderen Worten: Er muß getrennt von uns operieren. Das wolltest
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