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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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Pinscher.«
    »Und sie haben sich geprügelt?«
    »Nicht richtig. Pierre trank ja kaum. Er wich aus und wartete, bis dieser Glauber nur noch rumkeuchte. Dann haute er ihn um. Glauber war betrunken.«
    »Sagen Sie mal, war die Liebesgeschichte zwischen Pierre und Heidelinde tatsächlich so tief?«
    »Oh ja, die war, verdammt noch mal, sehr tief. Sehr echt, meine ich. Es war eben Pech, daß sie sich so spät begegnet sind.«
    »Aber jemand anderes als Glauber fällt Ihnen nicht ein?«
    »Nein.«
    »Kann es irgendwie mit der Bank zusammenhängen? Mit Geschäften?«
    »Das weiß ich nicht. Ich bin Kunde bei einer anderen Bank. Und meine Alten auch. Nichts für ungut, Sie reden doch nicht drüber?«
    »Nein, ich rede nicht drüber. Wo ist Ihr Vater?«
    »Da in der Küche. Und vorsichtig, der Mann ist völlig fertig.«
    »Sicherlich.«
    »Und nicht rauchen, er hat Asthma. Und laut reden, er hört schlecht.«
    »Alles klar.«
    Ich klopfte nicht, ich ging einfach hinein. Der Mann saß schmal und in sich zusammengesunken vor einem winzigen Fenster, das auf den Hinterhof hinausging. Er trug einen alten, verschlissenen Pullover zu ausgefransten, dreckigen Arbeitshosen. Er hielt beide Hände auf der Tischplatte verschränkt, und sie zitterten. Der Kopf wirkte extrem schmal, zeigte einen kleinen Kranz kurzer grauer Haare. Er bewegte sich nicht.
    Ich legte ihm die Hand leicht auf die Schulter und bedankte mich, daß er mit mir reden wollte. »Können Sie sich vorstellen, wer so etwas Schreckliches tut?«
    Der Kopf kam ganz langsam hoch, sein Gesicht war sehr weiß, es sah so aus wie das Gesicht eines sehr ernsten verschreckten Kindes. »Kann ich nicht«, die Worte kamen rauh und belegt. »Wat hat er denn wem getan? Nix! Er war ein guter Junge. Och jehh... er war so ein guter Junge.« Dann weinte er.
    Ich setzte mich ihm gegenüber und schwieg.
    »Daß der Herrgott mir sowas antun kann. Ich bin ein alter Mann, ich habe doch nix, ich habe keinem wehgetan. Pierre ist ein guter Junge. Meine Frau... wir kommen nicht mehr zurecht. Es ist wie im Krieg. Du kriegst einfach gesagt, er ist nicht mehr, und du sollst irgendwie damit fertig werden. Und das geht doch nicht.« Er machte einige sehr schnelle Bewegungen mit der rechten Hand, was seine Hilflosigkeit noch deutlicher machte. »Du kannst doch mit sowas nicht rechnen. Ich war Treiber bei Udler, wenn er mit seiner Clique gejagt hat. Er fragte eines Tages, was ich mir wünsche. Ich sagte: Eine Lehrstelle für den Pierre, der kann gut mit Zahlen. Der Junge kriegte die Lehrstelle. Jetzt das! Nicht mal vierzig ist er geworden. Alles nur wegen dieser Frau, wegen dieser Hure, wegen dieser verdammten dreckigen Hure, wegen...«
    »Sie war keine Hure«, sagte ich laut.
    »Häh?« fragte er verblüfft. »Was war sie denn? Wenn sie keine Hure war, was war sie denn?«
    »Er liebte sie.« Ich glaube, ich schrie fast, ich war sehr wütend. »Und was halten Sie von dem Glauber?« fragte ich etwas ruhiger.
    »Den kenne ich nicht, der soll ja Pierres Stelle kriegen. Sollte er schon seit langer Zeit. Wohl ein neuer Liebling von Udler. Aber der Glauber war für den Pierre doch ein Lackel. Der Junge hat den doch gar nicht ernstgenommen.«
    »Aber wenn der Nachfolger schon feststand, was wollte Pierre machen? Er muß doch irgend etwas zu dir gesagt haben, oder?«
    »Pierre hat immer gesagt: Das schaukel ich schon. Er sagte immer: Ich schaukel das! Und seine Kinder, oh nein, was werden die sagen?«
    »Wenn Pierre entlassen werden sollte, was wollte er machen? Hast du das gefragt?«
    »Habe ich. Er sagte immer: Vatter, ich gehe niemals aus der Eifel raus. Das habe ich nicht nötig. Er hatte ja auch viele Freunde. Allein im Golfclub hatte er eine Menge Freunde. Diesen Charlie ja auch, der soll ja sogar Multimillionär sein. Er sagte: Vatter, Charlie läßt mich niemals fallen. Und er sagte: Vatter, Charlie braucht mich.«
    »Er hat gesagt, Charlie braucht mich?«
    Der alte Mann nickte heftig. »Hat er gesagt. Aber ich weiß nicht mehr. Irgendwer hat meinen Pierre erschossen. Aber wir haben doch keinen Krieg.«
    »Es muß Krieg gewesen sein!« sagte ich heftig. »Es war ein Krieg, und keiner hat gemerkt, daß es einer war.«
    Ich hielt es plötzlich in all dieser Trauer nicht mehr aus und ging hinaus. Ich setzte mich in den Wagen und fuhr, fuhr verantwortungslos schnell.
    Charlies Maserati stand noch auf meinem Hof, ein seltsamer Anblick in der Eifler Landschaft. Sie hockten alle zusammen im Arbeitszimmer,

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