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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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zunächst noch verwirrenderes Bild. Wir haben es mit einem Herzstillstand zu tun, auf den natürlicherweise Sekunden später ein Zusammenbruch des Kreislaufs erfolgt. Wir dachten an ein Kontaktgift. Ich muß leider etwas ausholen, damit Sie begreifen, mit welch einem diabolischen Mörder wir es zu tun haben. Ist Ihnen die Hellabrunner Mischung bekannt? Vor etwa 20 Jahren hat ein leitender Veterinär im Tierpark Hellabrunn in München zwei Chemikalien zusammengemischt, die es ermöglichten, kleinere und größere Tiere zu betäuben, zu behandeln und dann die Tiere streßfrei ausschlafen zu lassen. Nun gibt es inzwischen einen Stoff namens Etorphin, verwendet in einem Präparat, das den belanglosen Namen M 99 führt. Dieser Stoff ist etwa tausendmal wirksamer als Morphium oder Morphiumderivate und auch tausendmal wirksamer als die Hellabrunner Mischung, er wird vor allem in Afrika benutzt. Dort muß man zuweilen Elefanten lahmlegen, um sie behandeln oder operieren zu können. Das geschieht mit einer genau auf das Körpergewicht abgestimmten Menge von M 99. Tierärzte dürfen dieses Mittel nur verwenden, wenn sie gleichzeitig ein Antidot auf eine Spritze ziehen, also ein Präparat, das die Wirkung von M 99 aufhebt. M 99 ist grauenhaft wirksam. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ein englischer Tierarzt benutzte M 99, um eine Kuh zu operieren. Er verletzte sich leicht an der Spritzennadel. Er schaffte nicht einmal mehr die wenigen Meter bis zu seinem Auto, und er verfügte über kein Gegengift. Er war tot. Man kann dieses M 99 überhaupt nur mit einer Schutzbrille und langen Handschuhen verwenden. Wenn Sie den Bruchteil eines Tropfens auf die Zunge oder auf die Schleimhäute der Augen bekommen, sind Sie nach wenigen Sekunden tot.«
    »Wie kommt man daran?« fragte ich.
    »Das wissen wir noch nicht genau«, bekannte Wiedemann. »Wir müssen davon ausgehen, daß Tierärzte in Zoos das Zeug verwenden. Wir müssen auch davon ausgehen, daß es gelegentlich von Tierärzten verwendet wird, wenn es sich um schwere Tiere, also zum Beispiel Rinder oder Pferde, handelt.«
    »Wie kam das Zeug in die Leichen?« fragte Dinah Marcus.
    »Mit der Margarine«, antwortete Wiedemann seufzend. »M 99 ist eine wäßrige Lösung. Der Täter hat zunächst die Pfeile mit Margarine eingeschmiert, vornehmlich vorne an der Spitze. Dann hat er winzige Tröpfchen M 99 auf diese Margarineschicht aufgetragen und sie mit der Margarine umhüllt. Die Pfeile trafen auf und durchschlugen das Gewebe. Dabei wurden die Tröpfchen direkt in die Blutbahn gebracht. Also alles sehr perfekt ausgedacht und eben absolut tödlich. Mit anderen Worten: Der Mörder wußte, was er tat, und muß bei der Tat Schutzbrille und Handschuhe getragen haben. Wahrscheinlich aber sogar eine komplette Körperverhüllung, also beispielsweise eine Plastikhaube, die ihn ganz bedeckte. Denn bei der hohen Anfangsgeschwindigkeit der Pfeile mußte er damit rechnen, daß winzige Partikel zurückschießen und ihn treffen.«
    »Die Frage ist also, kann Udler dieser Täter sein?« schloß Rodenstock lapidar.
    »Wenn Kinn und Kutschera ihn erpreßten, ja«, meinte ich. »Er hat ein Motiv, ein doppeltes sogar. Erstens geht es um ihn persönlich, zweitens geht es um die Bank, die er führt.«
    »Aber ist es ihm zuzutrauen? – Meine Antwort lautet: nein.« Wiedemann stand auf und ging hin und her. »Er ist der Typ des absolut seriösen Geschäftsmannes, inklusive eines leichten Bauches. Ich habe die Vorstellung, daß der Täter sportgestählt ist, eine Krieger type.«
    »Warum kann ein Krieger keinen Bauch haben?« fragte Dinah aufmüpfig.
    »Hat er denn ein Alibi?« fragte ich.
    »Hat er, und hat er nicht«, antwortete Wiedemann ganz ruhig. »Er war am Sonntag abend in der Bank. Er sagt, von ungefähr sechs Uhr abends bis Mitternacht. Er ist eindeutig gesehen worden, als er sie verließ. Er hat Akten für eine Sitzung vorbereitet, die heute stattfinden sollte. Sie fand wegen des Todes von Kinn nicht statt.«
    »Kann er die Bank zu Fuß verlassen haben und in einen anderen Wagen eingestiegen sein?« spekulierte die Soziologin. »Ich will sagen: er kam an, parkte sein Auto. Das blieb dort, bis er die Bank wieder verließ, während er sie tatsächlich sofort zu Fuß verließ und irgendein anderes Fahrzeug benutzte?«
    »Wir müssen mit ihm reden«, entschied Wiedemann. »Aber nicht jetzt. Ich bin hundemüde.«
    Rodenstock kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Keine gute Vorbereitung«,

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