Eifel-Filz
irgendeine Käseschweinerei.«
»Genehmigt«, sagte ich. »Und ich werde mir eine Zigarre bestellen, die soviel kostet wie ein Schnitzel in der Eifel. So ist das nun mal, wenn Bauern reisen.«
»Du bist ein Verrückter«, meinte sie liebevoll. »Und ich würde dich gern fragen, ob du bezahlen kannst, aufstehen und mit mir ins Bett gehst. Diesmal will ich eine klare Antwort.«
»Das geht«, nickte ich. »Ich muß mich nicht einmal überreden.«
Sie griff über den Tisch und nahm meine Hand, und ich ließ es gut sein, wenngleich ich mich umsah, als könnte man uns bei einer unsittlichen Handlung beobachten. Die Eifel ist die Heimat eines Rudels Pharisäer, und ich schien mich ihnen angeschlossen zu haben.
Ich bezahlte, ließ mir eine Rechnung geben, und wir standen auf, gingen sprachlos und seltsam befangen die Treppe hinauf.
Im Zimmer drehte sich Dinah herum und murmelte: »Du kannst die Augen geschlossen halten. Ich möchte dich ausziehen.«
Es wurde eine konzertierte Aktion, wobei wir uns gewaltig gegenseitig in die Quere kamen und dann dazu entschließen mußten, uns jeweils selbst auszuziehen.
»Sag bloß nichts«, murmelte sie. »Komm einfach langsam in mich rein und sag mir, daß du mich magst.«
»Ich mag dich«, sagte ich.
Später lagen wir im dunklen Zimmer, starrten an die Decke und hielten uns an der Hand.
»Ich denke immer, ich möchte irgendwo zu Hause sein und rücksichtslos leben können. Und natürlich will ich geheiratet werden, und natürlich denke ich auch an ein Kind. Und all das kann ich mir doch nicht ständig verkneifen.«
»Das mußt du doch nicht«, sagte ich. »Manchmal habe ich den Gedanken, es könnte sich lohnen, die Tiere in der Eifel einem kleinen Mädchen oder einem kleinen Jungen zu erklären. Wie müßte denn ein Mädchen heißen?«
»Sophie«, antwortete sie. »Für einen Jungen habe ich noch keinen Namen.«
»Dann laß uns Sophie erarbeiten«, sagte ich.
Irgendwann schliefen wir ein, und meine letzte Wahrnehmung war ihr ruhiger Atem in meinem Gesicht.
Es war eine unglaublich grelle Detonation, wenngleich kein Licht aufblitzte. Es war ein scharfer, heller Knall. Ich kam hoch, war sehr verschreckt, ich spürte, wie mein Herz raste. Ich spürte, wie Dinah neben mir hochschoß und ins Dunkel starrte. Sie wollte irgend etwas sagen, aber etwas verschloß ihr den Mund.
Der erste Schlag traf mich seitlich am Kopf, der zweite irgendwo in der Gegend des Halsansatzes. Ich schlug auf den Boden, wollte »Dinah« sagen, aber ich konnte nicht sprechen. Dann sah ich gegen das Fenster einen drohenden Schatten, der sich schnell bewegte. Etwas Hartes traf mich peitschend an der Brust und preßte alle Luft aus mir heraus.
Dinah schrie grell und langgezogen, und jemand stoppte diesen Schrei. Ich hörte, wie sie fiel und dumpf seufzte. Ich versuchte, auf die Knie zu kommen, aber das gelang nicht, und das Letzte, was ich dachte, ehe jemand mich erneut traf, war: Mein Gott, warum waren wir so naiv?
Achtes Kapitel
Alles war unendlich mühsam. Es war nicht wie das Aufwachen am Morgen. Du öffnest die Augen und siehst nichts. Weil du nichts siehst, schließt du die Augen wieder und wirst in der gleichen Sekunde von panischer Angst befallen. Da ist die Erinnerung an wuchtige Schläge mit irgendwas, mit einem Knüppel, mit einer Faust, mit Springerstiefeln. Du willst schreien, und es funktioniert nicht. Irgend etwas verklebt dir den Mund, dein Gesicht ist unbeweglich. Du willst den Mund öffnen, und das geht nicht. Du willst erschreckt mit der Hand zum Mund fahren. Das geht, aber wenn du ihn berührst, schmerzt es brennend. Du öffnest die Augen wieder, und du siehst wieder nichts, alles ist absolut schwarz. Natürlich keuchst du vor Angst, und bei jedem Atemzug schmerzt der Mund, die Mundhöhle, die Brust. Es ist unendlich mühsam, normal zu atmen. Du japst vor Erregung – Ich versuchte über meine Lippen zu lecken. Dann tastete ich mein Gesicht ab. Es war mit etwas überzogen, das wie eine Kruste wirkte und das Gesicht spannte. Ich blätterte eine Winzigkeit davon ab und steckte sie in den Mund. Es schmeckte süßlich und salzig, und da wußte ich, daß es Blut war. Ich lag auf dem Rücken, auf grobem Tuch. Die Struktur kannte ich. Sie war wie von Kartoffelsäcken. Der Raum roch nach nichts, höchstens nach Feuchtigkeit.
Weil mein Kopf schmerzte, versuchte ich, ihn nicht zu bewegen. Statt dessen bewegte ich die Augen und bemühte mich, etwas zu erkennen. Es blieb schwarz, keine
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